Mut zum Risiko

Im Habitus eines „Heiligen der Letzten Tage“ näherte sich Utz Sebastian Dr. Biesemann mit einer Fackel einem Taubenschlag, der durch die Explosion der darin befindlichen Benzindämpfe mit einem gewaltigen Bums auseinander flog. Mit dem Benzin war die Installation zuvor betankt worden, als sie noch wie ein Architekturmodell auf zwei Böcken im Innenhof der Kunsthochschule präsentiert worden war.

Utz Sebastian Dr. Biesemann, Der letzte Versuch, Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst 2015

Utz Sebastian Dr. Biesemann, Der letzte Versuch, Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst 2015

So begann und so endete die Untersuchung mit der Frage: „Wo genau ist eigentlich rechts oberhalb?“ Ironischerweise hatte das schlagartig in Brand gesetzte Benzin eine Locke der Haare des Künstlers rechts oberhalb des Scheitels entzündet und traf damit die Frage, die Linkshänder und umgeschulte Linkshänder interessiert. Wo genau ist denn Links, wenn jemand von sich selbst spricht und sein Gegenüber sein Links an der rechten Seite vorfindet. Wenn außerdem in Betracht gezogen wird, wie Links und Rechts unterschieden werden, wenn wir uns jemandem von Hinten nähern, und ein Anderer von Vorne die zwei Seiten des Hinten beschreibt. Klar wird man dagegen die Konventionen ins Feld führen. Doch die wurden von Rechtshändern ersonnen, die die Schriften von Leonardo nur in einer Transkription lesen können, selbst wenn sie Italienisch verstehen.

Was beide Arbeiten verbindet ist die Herausforderung des Großen und Gefährlichen. Hier ist es Feuer und Explosion sowie das Problem der zwei Seiten, das die Möglichkeiten eines Einzelnen übersteigen kann. Bei Angela Anzi sind es das Gewicht ihrer Objekte und die tiefen Töne, die ganze Flächen des Körpers und seine Organe in Schwingung versetzen können, so dass sie das Wohlbefinden beeinträchtigen. Anzi machte die Schwingungen durch verschiedene Features wie Segel aus Papier und Furnier sichtbar. Ihre Leichtigkeit lässt das Gewicht der 12 Trommeln aus gebranntem schwarz glasierten Ton vergessen, die jeweils mehr als ein Zentner wiegen. Alle Teile zusammen addieren sich zu fast eine Tonne. Zweimal drei konische und einmal vier zylindrische Elemente ruhten in der Ausstellung im Einstellungsraum aufgrund ihres Eigengewichts übereinander und flößten den Zuschauern Respekt ein.

Angela Anzi, Hilfestellungen an Objekten 2, Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst 2015

Angela Anzi, Hilfestellungen an Objekten 2, Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst 2015

Trotz der Technologien, die uns gewöhnlich von der Überlastung durch Heben, Explosionen und Feuer fernhalten, sind Gefahren eine Herausforderung geblieben, denen sich Künstler jeder Generation aufs Neue und oft mittels Performances stellen, um ihre Möglichkeiten zu testen. Das gilt vor allem in einer Welt, in der allerlei Bedenken und Sicherheitsfeatures die Möglichkeiten von Experimenten einengen. Insofern war es bezeichnend, dass beide Künstler im Rahmen der „Nacht des Wissens“ am 7. Nov. 2015 auftraten.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass künstlerische Arbeiten die Maße des Körpers überschreiten, sie müssen es sogar, um Aufmerksamkeit zu wecken. Trotzdem stellen Unkontrollierbarkeit und Wagnisse für jede Künstlergeneration aufs Neue eine Kategorie dar, deren Grenzen erforscht werden müssen. Deshalb müssen sich Künstler anders als Ingenieure den Gefahren unmittelbar aussetzen, die immer strengere Regularien im Alltag geradezu fanatisch zu unterbinden versuchen. Umso bemerkenswerter, dass täglich 10 Verkehrsopfer allein auf deutschen Straßen ohne hysterische Reaktionen hingenommen werden.

How to be a dead person of a drama?

On Georgia Sagri’s Antigone Model (3rd Edition)
Ongoing since 2010, July  4th, 2013, 15-21h, 3 ½ Kunstwerke, Berlin, Auguststraße 69

Georgia Sagris Antigone was a horse, a carriage-driver, a model on the cat-walk, she was sad, lame and laughing, also suffering and shaking, she became a siren, a porter, a messenger and a lover. She was beaten-down and she stood up; she died and rose again. She was also none of this at the edge of narcissism and forgetfulness. The intensity even increased during 6 hours, when sequences of every movement and image were repeated up to about 20 times. And there was no sign of fatigue. The performer’s talent for humor, show, playfulness, facial expression and body-language opened space and space of lives and fates.

A re-recording of the chorus of the ancient drama

Sagri sequenced the piece by returning to her electronic device to record her voice, clapping and stepping. Then she started again using dance, show, play and facial expression. And she found ways to bind together all aspects of her research on Antigone by her space-filling voice and sounds. She laughed, groaned, whinnied, cried and accompanied herself by the rhythm of her steps, clapping her hands on her body and moving the black-varnished iron elements of the installation, which she carried, to control the extension of the space in the space. Realizing the story of Antigone the threefold elements might also have personified Polyneikes and the members of Kreon’s family. However Sagri personified the dead in her performance in a way that the objects and she herself expressed a general idea of death – and life.

Georgia Sagri: Antigone Model,photograph: Johnicon; courtesy of the artist, Lars Friedrich and Melas Papadopoulos

Georgia Sagri: Antigone Model,photograph: Johnicon; courtesy of the artist, Lars Friedrich and Melas Papadopoulos

The sounds amplified the physical expressions. Extended by recorded passages of former sequences of the performance on a laptop, to which she returned frequently, single episodes became separated. As recorded and live sounds were often hard to distinguish actually past moments returned by the feedback she used. This dialogue between past and presence served as an entire element of the whole performance and connected the live event to the underworld. Thus the essence of Antigone’s motive to bury Polyneikes was actualized. Sagri’s minimal use of electronic equipment also simulated the chorus of the ancient drama in the sense that it became the accumulated choir of the dead. This created the impression of a meta-communication between the actual performance and the moments which have gone.