Im Habitus eines „Heiligen der Letzten Tage“ näherte sich Utz Sebastian Dr. Biesemann mit einer Fackel einem Taubenschlag, der durch die Explosion der darin befindlichen Benzindämpfe mit einem gewaltigen Bums auseinander flog. Mit dem Benzin war die Installation zuvor betankt worden, als sie noch wie ein Architekturmodell auf zwei Böcken im Innenhof der Kunsthochschule präsentiert worden war.
So begann und so endete die Untersuchung mit der Frage: „Wo genau ist eigentlich rechts oberhalb?“ Ironischerweise hatte das schlagartig in Brand gesetzte Benzin eine Locke der Haare des Künstlers rechts oberhalb des Scheitels entzündet und traf damit die Frage, die Linkshänder und umgeschulte Linkshänder interessiert. Wo genau ist denn Links, wenn jemand von sich selbst spricht und sein Gegenüber sein Links an der rechten Seite vorfindet. Wenn außerdem in Betracht gezogen wird, wie Links und Rechts unterschieden werden, wenn wir uns jemandem von Hinten nähern, und ein Anderer von Vorne die zwei Seiten des Hinten beschreibt. Klar wird man dagegen die Konventionen ins Feld führen. Doch die wurden von Rechtshändern ersonnen, die die Schriften von Leonardo nur in einer Transkription lesen können, selbst wenn sie Italienisch verstehen.
Was beide Arbeiten verbindet ist die Herausforderung des Großen und Gefährlichen. Hier ist es Feuer und Explosion sowie das Problem der zwei Seiten, das die Möglichkeiten eines Einzelnen übersteigen kann. Bei Angela Anzi sind es das Gewicht ihrer Objekte und die tiefen Töne, die ganze Flächen des Körpers und seine Organe in Schwingung versetzen können, so dass sie das Wohlbefinden beeinträchtigen. Anzi machte die Schwingungen durch verschiedene Features wie Segel aus Papier und Furnier sichtbar. Ihre Leichtigkeit lässt das Gewicht der 12 Trommeln aus gebranntem schwarz glasierten Ton vergessen, die jeweils mehr als ein Zentner wiegen. Alle Teile zusammen addieren sich zu fast eine Tonne. Zweimal drei konische und einmal vier zylindrische Elemente ruhten in der Ausstellung im Einstellungsraum aufgrund ihres Eigengewichts übereinander und flößten den Zuschauern Respekt ein.
Trotz der Technologien, die uns gewöhnlich von der Überlastung durch Heben, Explosionen und Feuer fernhalten, sind Gefahren eine Herausforderung geblieben, denen sich Künstler jeder Generation aufs Neue und oft mittels Performances stellen, um ihre Möglichkeiten zu testen. Das gilt vor allem in einer Welt, in der allerlei Bedenken und Sicherheitsfeatures die Möglichkeiten von Experimenten einengen. Insofern war es bezeichnend, dass beide Künstler im Rahmen der „Nacht des Wissens“ am 7. Nov. 2015 auftraten.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass künstlerische Arbeiten die Maße des Körpers überschreiten, sie müssen es sogar, um Aufmerksamkeit zu wecken. Trotzdem stellen Unkontrollierbarkeit und Wagnisse für jede Künstlergeneration aufs Neue eine Kategorie dar, deren Grenzen erforscht werden müssen. Deshalb müssen sich Künstler anders als Ingenieure den Gefahren unmittelbar aussetzen, die immer strengere Regularien im Alltag geradezu fanatisch zu unterbinden versuchen. Umso bemerkenswerter, dass täglich 10 Verkehrsopfer allein auf deutschen Straßen ohne hysterische Reaktionen hingenommen werden.