Der Schwanendreher auf dem Feld oder in der Küche?

über ein Concerto von Paul Hindemith

Am 17. Juli 2019 brachte der NDR-Kultur ein Gespräch mit der Musikerin Tabea Zimmermann, die unter anderem das mit ihr eingespielte Viola-Concerto „Der Schwanendreher“ von Paul Hindemith vorstellte.[1] Ein wunderbares sommerlich klingendes Musikstück war zu hören und es wurde über den Ursprung des Titels gerätselt. Auf mich wirkte es befremdlich, als von Köchen die Rede war, die einen gebratenen Schwan am Spieß drehen, so dass ich mich fragen musste, ob die Interpretin sich ernsthaft eine Beziehung zwischen diesem vorwiegend leicht und beschwingt klingenden Stück und einer mit Bratenschwaden erfüllten Küche vorstellen wollte.

Heu in Schwanen auf der gemähten Wiese

Ich hatte dabei eher das Bild einer frühsommerlichen Wiese mit duftendem Heu vor Augen und Nase, in dem – wie das zu Zeiten Hindemiths noch der Fall war – ein Dutzend Bauern und Helfer dabei waren, das noch nicht vollständig getrocknete Gras am Abend zu schwanen, um es vor nächtlichem Tau oder einem herannahenden Regenschauer zu schützen. War auch am nächsten Tag noch Regen zu erwarten, wurden die Schwanen gedreht oder gewendet, damit sich zwischen dem unten liegenden Schnitt und der Wiese Schimmel kein bilden konnte. Erst wenn das Heu trocken genug war, wurde es zu Haufen gestapelt, bis man es in die Scheune bringen konnte.

Zeitgenössische Schwanen von Stroh mit Erntemaschinen hergestellt, Foto: Gudrun Nehlsen

Eine Besonderheit dieser Schwanen ist auch ihre Parallelität, die einem Komponisten von weitem wie Notenlinien erscheinen können, zwischen denen die Bauern und Feldarbeiter bei ihren Aktivitäten mit Forken und Rechen wie bewegliche Noten unterwegs sind. Dazu kommen Vögel, die zwischen den gedrehten Schwanen aufgescheuchte Insekten und Spinnen finden.

https://www.youtube.com/watch?v=wPgmUji_bBM (mit Noten)

Das Concerto legt auch nahe, dass Hindemith den Weg zum Feld, die Pausen, herannahende Regenschauer, aufziehende Gewitter und die unterschiedlichen Arbeitstempi als Inspirationsquelle verstand. Dazu kommen einzelne, die das zu dicken Gespinsten zusammengeworfene Heu mit ihren Gabeln aufspießen und die Fracht geschultert zusammentragen oder sie später bei der Ernte auf dem Wagen verladen.

[1] NDR Kultur – Klassik à la carte – 17.07.2019 13:00 Uhr im Gespräch mit Margarete Zander
nachzuhören auf: https://www.ndr.de/ndrkultur/Tabea-Zimmermann-gibt-Meisterkurs-und-Konzerte,audio536188.html