Die Ausstellung „OWL4 – Gegenspieler“ ist noch bis zum 1. Nov. im Marta Herford zu sehen.
Die Ausstellung, die im Titel zufällig auch ein Stück des Namen meines Blogs trägt, doch in Herford den Kulturraum Ost-Westfalen-Lippe (OWL) meint, ist mir ein Anlass über zwei wichtige Protagonisten der intermediären Kunst aus verschiedenen Generationen zu schreiben.
In den 1960er Jahren, als die Begriffe Intermedia und Body-Art in Deutschland nur geringe Resonanz fanden, war es eine gute Idee in die USA auszuwandern. Der in Herford 1935 geborene Hans Breder tat das, um seine Interessen nach dem Studium an der HFBK in Hamburg in New York zu realisieren. Als Assistent von George Rickey fand er seine eigene Interpretation des erweiterten Kunstbegriffs und prägte unabhängig von Dick Higgins den Begriff „Intermedia“ mit einem von Anthropologie und Körperkunst bestimmten Akzent.
Fotografien, die er „Body/Sculpture“ nannte, sind in der Ausstellung „Gegenspieler“ in seinem Geburtsort zu sehen und bezeugen sein Interesse an surrealen Motiven. Die Arkaden, vor denen sich weibliche Schenkel und Hintern stapeln, verraten den Einfluss Giorgio de Chiricos und der Figuren von Hans Bellmer. Wo letzter durch Gelenke Schenkel, Hinterteile und Beine durch Gelenke grotesk verrenken konnte, verdoppelte Breder die Extremitäten durch Spiegel, die so geschickt in die Landschaften oder vor Fassaden mit Körpern arrangiert wurden, dass die gesichts- und rumpflosen Wesen zu Vielbeinern und -füßern mutieren. Diese in Mexiko realisierten Fotoserien trafen den Geist der Zeit, so dass Breder, der 1970 das „Center for Performing Arts“ an der staatlichen Universität von Iowa mitbegründete, später dessen Direktor wurde. Berühmte Schüler waren Ana Mendietta und Charles Ray. Gut, dass Breder durch seine Verbindung mit der Universität Dortmund seine Auffassung der Körperkunst, wenn auch spät, schließlich in Deutschland propagieren konnte.
Eine weitere Künstlerin fiel im Rahmen der Ausstellung sowohl durch die Posen der abgebildeten Körper wie auch durch den zur Präsentation der unterschiedlich großen Fotos gebauten Käfig auf. Die Fotos von Isabelle Wenzel (Jg. 1982) waren außen – potentiell auswechselbar – an dem frei im Raum stehenden Körper angebracht. Die Gesten der Modelle und oft auch der Künstlerin selbst sind in ihrer Festigkeit beeindruckend. Das gilt besonders, wenn man weiß, dass die Künstlerin oft ihr eigenes Modell ist. Sie entwickelt für eine bestimmte Orte eine Bildidee, richtet die Kamera ein und muss dann die abgebildeten Posen in den wenigen Sekunden einnehmen, in denen der Selbstauslöser der Kamera läuft. Die Gesten und Posen beeindrucken wegen ihrer Originalität, die nicht den Vorgaben aus Mode und Werbung entsprechen. Eher erinnern sie an barocke Figuren und Bauplastik, die man weit oben an den Fassaden, unter Gebäudedecken oder hinter Altären aus ungewohnten Blickwinkeln zu Gesicht bekommen kann. Die Eigenheiten der Körpersprache könnte man auch von der besonderen Beziehung der Körper zur Gravitation her verstehen und beschreiben. Die Künstlerin hätte dann die Erdschwere als Antagonisten gewählt, dem sie sich hingibt, um die zeitgenössischen Einwirkungen von Maschinen und Verkehrsmitteln auf den Körper zu ignorieren. Sie verhält sich so, als würde man mit dem durch Body Art geprägten Blick die Schwere von Menschen fotografieren, die ohne maschinelle Hilfsmittel in Industrie und Landwirtschaft arbeiten.
Nicht, dass ich die Arbeiten der anderen Künstler übergehen wollte, die wie die Fotos und Videos von Jacqueline Doyen mit den an von ihr selbst entworfenen Geräten turnenden Modellen, einen Einblick in das Weiterwirken der Body Art geben, beschränke ich mich doch auf die genannten Beispiele. Weitere Künstler in der Ausstellung sind Renke Brandt, Andrea Grützner, Seha Ritter, Britta Thie, Michael Weißköppel und Suse Wiegand
(c) Johannes Lothar Schröder