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Altäre aus Stiften, Kugelschreibern und Pinseln für die ermordeten Zeichner und Redakteure von Charlie Hebdo hat die Welt wohl noch nicht gesehen, und die Schlangen vor den Kiosken, die sich am Morgen des 14. Januars bildeten, sind bisher vielen jüngeren doch nur noch vom Hörensagen bekannt gewesen. Der Anschlag vom 7.11.2015 auf die Redaktion des Satire-Magazins hat im Wettstreit zwischen digitalen und analogen Medien die Printmedien aufgewertet. Und vielleicht deuten die zahlreichen Demonstrationen für die Pressefreiheit allerorten sogar ihre Renaissance an.
Bleistift und Pinsel wurden Symbole der Freiheitsbewegung die in einem Plakat gipfelte, das in Paris am 11. Januar 2015 erhoben wurde. Es zeigte das Bild eines Bleistifts mit dem Zitat von Arlo Guthry: „Diese Maschine kämpft gegen den Krieg!“
Bleistift und Pinsel im Zeitalter des Terrorismus?
Bleistift und Pinsel sind geistige Werkzeuge, die physisch benutzt werden. Sie ermöglichen ihren Nutzern unabhängig von Elektrizität und der Infrastruktur des Netzes mit geringen materiellen Mitteln unmittelbar in Aktion zu treten und, wie sich immer wieder von neuem zeigt, eine geistig und politisch weitreichende Wirkung zu erzielen. Auch sind sie mit dem Zeichner, einer Illustratorin oder einem Cartoonisten eng verbunden. Allerdings erfordert es eine akademische oder autodidaktische Ausbildung und viel Übung, um die Mittel gut und aussagekräftig einsetzen zu können. Die Ergebnisse sind auch in Zeiten von YouTube, Twitter und Facebook von einer noch nicht übertroffenen Qualität. Diese muss sich auch den Attentäter auf die Redaktion von Charlie Hebdo erschlossen haben, weshalb es ihnen nicht reichte, die Auslieferung einer Zeitschrift zu verhindern. Nein. Sie gingen direkt gegen die Zeichner und Redakteure vor, ohne die ein Stift nicht zeichnen kann. Was sie nicht berücksichtigten, ist die Tatsache, dass die Benutzung von Pinsel und Stift eine seit Jahrtausenden angewandte Kulturtechnik ist, die in Schulen und auf Akademien gelehrt wird. Angesichts dieses ungehobenen Potentials aller zum Zeichnen Befähigten und der allgemeinen Verbreitung von Zeichenstiften besteht große Hoffnung in Zeiten der um sich greifenden Verbreitung von Schusswaffen.
Schon die Wandzeichnungen in der Höhle von Lascaux waren heilig, so dass der Zugang beschränkt war, auch weil sie im Dunklen nur partiell und von wenigen gesehen werden konnten. Seit damals sind Verbergen von Zeichnungen und ihr Schutz Teil der Kunstrezeption, die im Zuge der bürgerlichen Umwälzungen (z.B. Säkularisierung des öffentlichen Lebens, öffentliche Museen und Universitäten) weiterentwickelt worden sind.