Doppelte Gegenüberstellung: Aneignung von Dokumentarfotos

(Ein Auszug aus der Broschüre:J.L.Schröder: „Bilder und Gefühle verwerfen“, Hamburg 2018, S. 14-17, 18f) Die Broschüre mit Abschnitten über Künstler und Katastrophen, Preisverleihung, Ikonoklasmus, Kunstverweigerung etc. (44 Seiten) kann man in der Ausstellung in der Akademie der Künste in Hamburg für 8€ abholen oder für 10€ bei mir bestellen (inkl. Versandt).

Ein Foto aus Reggio di Calabria (1970) zeigt Demonstranten, die über die Rücken von Carabinieri hinweg fotografiert worden sind, die jenen entgegentreten. Dieses Bild wurde auf einer Doppelseite[1] mit der Verleihungsurkunde des Lichtwark-Stipendiums an Rühmann konfrontiert. Das Lay-Out erzeugt somit eine doppelte Gegenüberstellung, bei der auch die Begründung der Jury auf den Prüfstand gestellt wird; denn die „zugesprochene Förderung“ bekam der Künstler ja für „seine rückhaltlosen Versuche“, „eine Antwort auf die Frage nach der heutigen Funktion der Malerei zu suchen.“ Der Blick auf beide Seiten verdeutlicht spontan, dass die Dokumentarfotografie die Stelle von Malerei einnimmt und die Fotografie wiederum mit Schriftstücken konfrontiert wird. In der Urkunde heißt es weiter: „Seine Experimente, die immer wieder Grenzsituationen des anschaulichen Zeichnens riskieren, kommen aus einer innersten Zone des Zweifels an allen gängigen Formen der Mitteilung.“[2] Die Aussage der Jury, die Rühmann den Preis zuerkannte, scheint also durchaus dem Werk Rühmanns zu entsprechen. Auch wenn Floskeln wie „rückhaltlos“ vielleicht übertrieben erscheinen, so ist den Juroren vielleicht nicht entgangen, dass Rühmann nicht auf die übliche Unterstützung von Familienmitgliedern, Freunden, Geschäftsfreunden und Bekannten zählen konnte.

Abb. 1 Dieter Rühmann, Doppelseite aus: „macht die Kunst kaputt – es lebe die Kunst“, S. 192/3

Um Missverständnisse zu vermeiden, muss aber fairerweise hinzugefügt werden, dass das Buch zehn Jahre nach der Preisverleihung gestaltet wurde. Die damals ausgestellten, auf Fotografien basierenden Bilder wiesen nämlich rudimentäre Übermalungen von Fotos und Schriftzüge mit Kreide auf dem zum Teil mit Tafelfarbe bemalten Malgrund auf[3], worauf sich die Aussagen zur Einbeziehung von Malerei und Zeichnung in der Begründung der Jury beziehen.

Weniger Gedanken hatten sich die Kunstsachverständigen dagegen über die Inhalte gemacht, mit denen sich Rühmann auseinandergesetzt hatte und die sein Engagement als Künstler bestimmte.  Diese lassen sich anhand der zahlreichen Dokumenten ablesen, die den zeitgeschichtlichen Kontext aufrufen. Sie bringen sowohl die Zeit nach 1968 wie auch das Leben und Schaffen des Künstlers in einen operativen Zusammenhang und mischen es mit Werken seiner Freunde sowie Fotos von Demonstrationen, Geiselnahmen, Verhaftungen, Hinrichtungen und Bombardements. Darunter befinden sich auch die ikonischen Fotos der vor Napalm flüchtenden nackten Kinder und der Erschießung des Viet-kong-Offiziers durch General Nguy-en Ngoc Loan.

Die Konfrontation der Werke Rühmanns mit diesem Material macht aber auch erkenntlich, dass man sich Rühmann nicht als aggressiven Kämpfer oder extrovertierten Rebellen vorzustellen hat, vielmehr ist er ein sanfter, eher zurückgenommener Mensch, dem die Ausübung von Gewalt fernliegt. Dieser Haltung, in der sich Distanz und Nähe sowie Empathie und Egozentrik neutralisieren, entspricht das Lay-Out des Buches, in dem die Fotos von politischer, kriegerischer und krimineller Gewalt Kunstwerken gegenübergestellt werden, wobei die Urheberschaft zunächst in den Hintergrund rückt.[4] Dazwischen fallen mit Kreide beschriftete Tafeln auf, die den Seiten eines Tagebuchs ähneln, es aber durch das Weiß auf Schwarz verfremden. Man liest Eintragungen wie: „Das ist meine Verzweiflung am frühen Morgen. Ich habe verdammte Sehnsucht. Erinnere mich daran.“[5] Die dort auftauchenden Bilder nehmen in diesem Kontext eine Stellvertreterfunktion ein, die suggeriert, dass die abgebildeten Personen dem Künstler die Protesthandlungen abnehmen oder ihn seine Verbundenheit antizipierend vertreten haben. Weil Extrovertiertheit und physische Präsenz – abgesehen von seinen künstlerischen Interventionen – nicht seinen Alltag bestimmen und er seinen Beruf üblicherweise in Studios und privaten Räumen ausübt, treten Bilder, Texttafeln und notierte Verlautbarungen an die Stelle aktiver Protesthandlungen, die, bildlich und als Textfragmente inhaltlich geronnen, die Zeit überdauern. Die Kunstwerke schließen den Protest in sich ein, weshalb auch jede Ausstellung der entsprechenden Bilder mit dem darin eingegangenen Protest aufgeladen ist. Die Bilder und deren Veröffentlichungen befördern neben der Kommunikation auch Adrenalin und lösen besonders für den Künstler selbst den gespeicherten Krawall wieder aus, so dass jede Ausstellung wie auch damals in der Kunsthalle zu einem Akt des inneren Aufruhrs wird, der sich vor dem Publikum entlädt. Das psychophysische Engagement überlagert die Präsenz der Bilder, die im Museum mit einer Öffentlichkeit konfrontiert werden, die im Studio abwesend ist.

Auf diese Weise wird die nicht immer mögliche direkte physische Reaktion auf gesellschaftliche und politische Ereignisse, von denen Rühmann wie die meisten Menschen auch durch Massenmedien erfahren, zum Teil der Bedingungen des heutigen Lebens, deren Folgen das Engagement von Rühmann in die Kunstöffentlichkeit getragen hat. Wie alle Zeitgenossen muss auch Rühmann die Herausforderungen der politischen und sozialen Ereignisse sowie die dadurch ausgelösten Ängste und den Zorn kompensieren. So suchte er als Künstler nach Möglichkeiten, seine Bilder emotional aufzuladen und liefert schließlich selbst den Beleg für die „gängigen Formen der Mitteilung“[6], um die es aus der Sicht der Jury ging. Für die Serie „Reaktivierung 001 – 004“ verwendete er 1973 das Foto eines Steinewerfers während der Straßenschlachten in Paris 1968 in viermaliger Wiederholung  und konfrontierte jede Abbildung des Fotos mit einem beschriebenen und durchnummerierten Stein darunter. In dieser Form stellte er beide Elemente einem Bild aus seiner Serie von Tafelaufschrieben gegenüber, unter dem eine Hand in das Foto hineinreicht, die jeweils den nebenan im Original zu sehenden Stein hält, der mit „001“ bis „004“ und Notizen beschriftet ist.[7] Spontan könnte man annehmen, dass der Künstler möchte, dass seine Bilder einschlagen wie geschleuderte Steine. Da er sich aber damit auf die Seite der Gewaltausübung brächte, die er gleichzeitig anprangert, liegen die Verhältnisse komplizierter und die Verarbeitung der täglich mit den Medien eintreffenden Bilder erzeugen im Studio ein doppeltes Dilemma zwischen Aktionswunsch und Aktionsmöglichkeit.

Abb. 2 aus: Dieter Rühmann, aus: „macht die Kunst kaputt – es lebe die Kunst“, S. 148/9

Die Montage des Buchs zeigt sein Schwanken zwischen Tat und Unterlassung und tendiert insgesamt auch durch die Schwarz-Weiß-Ästhetik eher dazu, die Ereignissen herauszustellen, die der Künstler nicht persönlich erlebt hat, die aber einen inneren Aufruhr ausgelöst haben. Er war in Paris nicht dabei und dennoch möchte er sich in die Nähe dieser Revolte bringen und verlängert die betreffenden Bilder durch Einbeziehung in eines seiner Werke bis in seine Gegenwart. Darauf verweist der Titel „Reaktiverung 001 – 004“, den die Serie trägt. Die begleitenden mit Kreide geschriebenen Einträge auf der tafelschwarz gestrichenen Hartfaserplatte beklagen das Ende der sozialen Utopie, die den Einzelnen nach dem Ende des kollektiven Handelns wieder auf sich selbst zurückfallen ließ: „Das sind meine Erinnerungen, meine Einsamkeit, meine Moral, meine Erregungen, meine Pflicht und meine Liebe. Woran sollst du mich erinnern?“[8] Er wendet sich an eine unbestimmte Person, die auch er selbst sein kann und setzt seine Kunst als Kommunikationsmittel ein, wie es der damaligen Auffassung der Kunst als Visuelle Kommunikation entsprach. Mit dieser Wendung erlaubt er es, die Betroffenheit, also die emotionale Identifikation mit den Ereignissen zu objektivieren.

(…)

Rühmann drehte 1969 zwei Filme. In „A“ mit Gerd Meißner (16mm, 7 min.) rollen Kugeln in offene Münder und werden wieder ausgestoßen.[1] Den zweiten Film „Liebe Zuschauer“ (16mm, Tonfilm, 20 min.) realisierte Rühmann mit Tomislav Laux. Die Kamera beobachtet ein heterosexuelles Paar, das sich bis auf Gasmasken entkleidet, auf einer Matratze wälzt, zärtlich berührt und liebt. Die beiden Filmemacher spitzen Sexualität unter einem anderen Aspekt zu als Stan Brakhage in seinem ebenfalls 1969 herausgebrachten Film „Lovemaking“, der freie Liebe propagiert[2]. Der amerikanische Regisseur gibt dem Film einen sachlichen Titel, doch sucht er nach Möglichkeiten, das Unterbewusste an die Oberfläche zu bringen, indem er die Natürlichkeit der Sexualität herausstellt, die sich nicht nur zwischen Menschen jeden Alters und Geschlechts, sondern auch zwischen Tieren ereignet.

Im Gegensatz dazu sind Rühmann und Laux nicht an einer „natürlichen“ Sexualität interessiert. Alles, was der Film zeigt, ist kulturell geformt oder auch deformiert. Beide Akteure wie auch die Zuschauer, die ja im Titel direkt angesprochen werden, sind durch die Verhüllung des Kopfes von den wichtigen Signalen der sinnlichen Wahrnehmung abgeschnitten. Der Film bekam mit „Liebe Zuschauer“ einen sachlichen aber auch zweideutigen Titel aus zwei Substantiven: Liebe und Zuschauer. Ohne Interpunktion lässt sich daraus keine Anrede bilden, so dass hier Liebe und Zuschauer nebeneinander stehen. Es geht also um die Liebe und die Zuschauer. Schon der unbelichtete Film, der am Anfang ein weißes Bild zeigt, irritiert und weckt Erwartungen, die erst nach ca. 2 Min. erfüllt werden, wenn man ohne Vorspann unvermittelt ein Paar beim Sex erblickt, was damals gegen alle Konventionen verstieß; denn selbst die in Westdeutschland noch verbotenen Pornofilme begannen mit rudimentären Ritualen der Begegnung, ehe sich die Akteure explizitem Sex zuwandten. Vielleicht schlägt sich ein Rest konventionelle Annäherung auf der Tonspur nieder, auf der eine Tanzkapelle zu hören ist, die einen Cha-Cha-Cha zu dem minutenlang auf dem Kopf stehenden Bild spielt. Die Musik unterstreicht diese Situation, die zwischen Schwere und ihrer Überwindung im All angesiedelt ist, und die Gasmasken machen die Darsteller auf bizarre Weise fremd, zumal sie die Masken in den Austausch von Zärtlichkeiten einbeziehen, was sie wie künstliche oder extraterrestrische Wesen aussehen lässt.

Dieter Rühmann: Liebe Zuschauer, 1968, 16mm, Filmstill

Erst nach einigen Minuten wird das Bild gedreht, so dass es der Schwerkraft entspricht. Gegen Ende hört man einen Kurzdialog aus dem Off: „Frau Reinick! – Augenblick!“ ruft eine Männerstimme. Dann brüllt eine andere Stimme: „Ihr fragt, was soll dieser Film darstellen, statt euch selbst zu fragen, was ihr darstellt.“ Vielleicht ist dieser harsche Ton ein Beispiel für die „Aggressivität“, die Wyborny meinte, denn hier wird ein lauter Ton angeschlagen, um die Zuschauer direkt anzusprechen und damit aus ihrer Lethargie in ihren Sitzreihen zu reißen, wo sie sich in der gewohnten Dunkelheit in Sicherheit wähnen. Danach folgt ein Abspann in Form eines auf eine DIN A4 Seite getippten Statements, das vor das Kameraobjektiv geschoben wurde.

Die vorgetragenen Konventionsbrüche und die Agitation des Publikums schafften ein klammes Gefühl, das mit Rauchen, Trinken und Gesprächen gemildert wurde. Im Film selbst verhinderten die verborgenen Gesichter, dass Emotionen gelesen und Laute gehört werden konnten. Wenn man sich das vergegenwärtigt, wird offenbar, dass das Paar zusätzlich von allen olfaktorischen Informationen, die durch Nase und Mund aufgenommen werden, abgeschnitten ist. Die Augenfenster beeinträchtigen außerdem den Gesichtssinn und der Gummi der Maske riecht nicht nur schlecht, sondern schränkt auch das Gehör ein. So werden die Liebenden nicht nur anonymisiert, sondern auch von ihren im Gesicht gelegenen Sensorien getrennt, so dass Hautkontakt ausschließlich vom Kinn an abwärts möglich ist. Das hat semantische Konsequenzen insofern als der Annahme entsprochen wird, dass Sexualität  den Menschen ‚auf das Körperliche reduzieren würde‘, weil die im Kopf befindlichen Sinnesorgane und das Gehirn paradoxerweise sprachlich nicht dem Körper zugerechnet werden, wenn von Körper und Geist oder Geist und Sinnlichkeit die Rede ist. Dieses semantische Dilemma ist typisch für diese Zeit, in der man anstrebte, die Trennung von Kopf und Hand aufzuheben. Sie wird nicht zuletzt auch dadurch in den Fokus gerückt, dass die Liebesszenen im ersten Drittel buchstäblich Kopf stehen aber auch den Anschein von Schwerelosigkeit erwecken. Das mildert auch den Eindruck einer von der Sinnlichkeit abgekoppelten, mechanischen Sexualität, die sonst den Zuschauern das Gefühl vermittelt hätte, Voyeure zu sein. Die gegebenen filmischen Mittel erzeugen dagegen aber eine utopische Vorstellung von der Überwindung der kulturellen Durchlass-beschränkungen zwischen Körper und Kopf. Durch Negation wurde also ein Zugang zur Sinnlichkeit ermöglicht, der den damals meist verklemmten und unbeholfenen Umgang mit Gefühlen lockerte.

[1] Rühmann, Dieter … macht die Kunst kaptt – es lebe die Kunst … . – Issendorf : Järnecke, 1984, S. 192/3

[2] Ebd., S. 193

[3] Wie die Abbildung auf ebd., S. 137

[4] Diese Aussage betrifft das Lay-out, in dem die Bilder ohne Angaben montiert sind. Die Quellen werden dagegen nicht verschwiegen, sondern in einem Inhaltsverzeichnis am Ende des Buches nach Seiten geordnet aufgeführt. (Rühmann, 1984), S. 253-256

[5] (Rühmann, 1984), S. 148

[6] Begründung der Jury, ebd., S. 193

[7] Ebd., 148ff

[8] Ebd., 154
(…)

[1] Programmheft der Filmschau im Kino im Sprengel, hg. von Peter Hoffmann, 25.9.-5.12.2015, pdf

[2] Stan Brakhage, Lovemaking, in: (Kultermann, 1971), Ill. 121. Dort wird der Film 1967 datiert, in anderen, später angelegten Filmografien jedoch 1969. Es ist unerheblich, ob Rühmann/Laux den Film kannten, denn die Quellen (Hippiekultur, das Monterey-Festival, Woodstock und der Traum von Freier Liebe) waren allgemein bekannt. Wichtig ist allerdings, dass Rühmann/Laux im Gegensatz zu Brakhage einen kulturkritischen Ansatz verfolgen.

Liminoid and Walls Against the Multitude (on PSi #23, Part 2 of 3)

Considering the abundance of sessions offered in the conference I became aware of the limitations of reporting on the whole conference which was organized by Amelie Deuflhard, Gabriele Klein, Martin Jörg Schäfer and Wolfgang Sting and managed by Marc Wagenbach. So I decided to write about a few thoughts and ideas that came up in conversations and dialogues as well as moments of relaxation shared with other participants. Many of the terms and themes have already been discussed at other PSi-conferences and in Performance Research. This reappearance of themes can be seen as a golden thread which not only helps to get out of a labyrinth built by artists but also helps to catch the clue to a complexly woven pattern.

Liminal and Liminoid

Amongst the many metaphors and concrete forms of flow and overflow ‘liminal’ seems to be a revue of an old one. After Richard Schechner (one of the founders of PSi) one did not hear this reference for quite a while. It was introduced by Arnold van Gennep and redefined by Victor Turner. Thomas Isaacs brought it up again to understand the self-torturous actions of Marina Abramovic in “Lips of Thomas” http://marina-abramovic.blogspot.de/2009/11/thomas-lips-1975.html . Although it was done in 1974 it seems that it has not been fully understood. Why can it be useful or even necessary to perform painful acts? If we follow Turner, we have to ask again, whether there is any reason to transfer rituals and initiations from agricultural to complex contemporary societies? Does it make sense to use this term and to understand pain in terms of a contemporary ritual? Kieran Sellars also asked such questions with regard to the performances of Martin O’Brian, which for him are part of a personal method of struggling against his disease and help him to ease pain.[1] Perhaps we have to revise the idea of transgression today. While in the 1960s and 70s it meant breaking down the limits between art and life as well as between the private and the public, today the setup of limits is being discussed again. It seems that ‘liminal’ defines the use of thresholds – seen as a beam of plank at the entrance of a house – against excess.

New Limits? (degression)

The etymology of liminal is connected to the motto ‘overflow’, considering, that thresholds, the literary meaning of which can be defined as a board holding the abundance of a rich crop like cereal. Here liminal means banning or protecting the overflow and being able to share a crop over a period of time. This seems to be the direction in which the impetus of performance art has been changing over the decades at least in the Americas, Europe and Japan. Beginning as a revolutionary act in art, politics and life, which intended to tear away any limitation set by traditions, rules or conventions. This tendency was partly reversed by accademisation, when new museums were built in the 1970s and universities expanded faculties in the 1980s. Parallel to that the private TV-channels expanded by streaming 24 hours adds and news accompanied by permanent stock-market-tickers and there was the fall of the iron curtain. Things speeded up and the internet provided digital communication to almost everybody. This led to the desire to set up new limits or strengthen the old ones by moral and religious taboos. Actually even in countries with free access to internet like in Germany limitations of free speech as sanctions on hate-speech are being discussed.

This emphasizes the taming of uncontrolled powers of violence, of overwhelming feelings as well as pain. Could it also mean to a society that it looks for ways to control aggressive youngsters, powerful intellectuals and physical fighters instead of unleashing them? There is an obligation to protect the weak and if we look at the changing of the liminal in Performance Art it finally could mean the compliance of the arts by reconciling struggle, taming violence, preventing fighting and overcoming pain in a classical way. Already now sports, arts and cultural policy provide multiple space and time in media, arenas, theatres, cinemas etc. to compensate for phenomena of the liminoid. The numbers of artists who are pushing the limits are few. They are still acting in countries, where the limits for making money are wide and for artistic expression are tight. A good example is Pjotr Pawlenski in Russia. Actually numerous biennals, documenta and art fairs have been established on the base of what was achieved by the widening of limits and providing open spaces. Now we see a tendency that these multiple spaces are excessively filled with artefacts and material. It seems that the challenge of contemporary artists consists in stuffing up places for exhibitions and gathering matter and things in panic-like efforts

The Permanence of a Construction-Site as Happening

The new project of Rimini Protokoll “Staat 1-4” approaches such implications of overflow which are provided by big construction sites. As Immanuel Schipper presented, there is a trend which can be publicly observed: The generation of problems that are raising costs and cause constant delays, which enable the prolongation of construction sites deploying more and more opportunities to earn money for companies and lawyers. “Gesellschaftsmodell Großbaustelle (Staat 2)” is inspired by the logic and the logistics of a mega-construction site forming a role model for a society. The virtual set reminds me of the compartmented structure of a Happening like for example „18 Happenings in 6 Parts”. Instead of using the theatrical frame the project provides guided tours for 5 groups of visitors taking place at the same time in the same space at different parts of the site. http://www.rimini-protokoll.de/website/de/project/gesellschaftsmodell-grossbaustelle-staat-2
At the same time the “real” reality and real estate like the construction sites at the Berlin Airport (BER), will probably never be finished. Examining this from an artistic point of view this kind of reality appears like a permanent Happening, which is not dropped from the program for years like a successful musical. Is the latest and unexpected version of blurring the boundaries between art and life.

Independent Film in Hamburg

A surprisingly detailed paper was presented by Megan Hoetger from L.A. who researched “underground” film making in Hamburg in 1969 + 1973. She came close to the iconoclastic qualities of that independent experiment, which existed for a very short period of time. The film-maker-cooperative at Hamburg’s Brüderstraße was radically staying away from film- and TV-productions. Its members were also resisting paths which were chosen in local film-festivals in Germany and abroad.

[1] “Martin’s work considers existence with a severe chronic illness within our contemporary situation. Martin suffers from cystic fibrosis and his practice uses physical endurance, hardship and pain based practices to challenge common representations of illness and examine what it means to be born with a life threatening disease. His work is an act of resistance to illness, an attempt at claiming agency and a celebration of his body. Martin loves his body and his work is a form of sufferance in order to survive.” http://www.martinobrienperformance.com/about.html

 

Künstler-Schamane im dokumentarischen Schwarz-Weiß

Zum Film über Beuys von Andres Veiel

Erfreulich, dass mit dem Film von Andres Veiel ein Dokumentarfilm über den Künstler Joseph Beuys entstanden ist. Seine Uraufführung während der Berlinale fand große  Beachtung in den Feuilletons.(*) Die Erwartungen waren hoch und man war neugierig, Neues über den inzwischen legendär gewordenen Künstler der Bundesrepublik (West) zu erfahren. Für die Verbreitung von Legenden indes hat Beuys selbst schon zu Lebzeiten gesorgt. Sie gehen auf seine Teilnahme am Zweiten Weltkrieg zurück, in dem er als Berufssoldat in einem Sturzkampfbomber als Bordfunker und MG-Schütze Dienst tat.

Diese Zusammenhänge streift der Film nur marginal und muss mithin nicht nur den Ballast der Tatarenlegende mitschleppen sondern kann folglich auch den Mythos nicht wirklich durchbrechen. Veiel hat allerdings zahlreiche filmische Mittel aufgeboten, um dem Publikum das umfangreiche Foto- und Filmmaterial mit heutigen Mitteln und Animationstricks vor Augen zu führen? Die Schwarz-Weiß-Ästhetik mit der Beuys sich am Liebsten damals für das Fernsehen in Szene setzen ließ, wurde gefeiert und durch das Kinoformat ins Monumentale gesteigert. Aus einem Meer von Einzelfotos auf Kontaktbögen wird durch punktuelles Beleuchten einzelner Bilder das damalige Auswahlverfahren zur Herstellung von Abzügen simuliert. Daraus und aus Beta-Cam-Videos sowie 16mm-Filmen entstanden Übertragungen in das heutige digitale Kinoformat. Doch ist es fraglich, ob mehr als eine Faszination am Material erreicht wurde, das ein jüngeres Publikum an die heute unbekannten Medien der 1960er und 70er Jahre heranführt. Mit Erstaunen nimmt man nebenbei zur Kenntnis, dass damals überall geraucht wurde, so dass bisweilen Gesichter von Interviewten hinter Tabakrauch ausgeblendet werden.

Bilder gegen Klischees

Beeindruckend fand ich die Filmsequenz zur Eröffnung des Films, die zeigt, wie Beuys den Raum betritt, Platz nimmt und nervös in einem Band der Zeitschrift FILMKRITIK blättert. Gelesen hat er darin nicht; deshalb werden hier schon Zweifel an der Legende eines souveränen Künstlers wach. Oft sieht man nicht nur hier einen angespannten etwas fahrigen wenn nicht sogar unsicheren Protagonisten. Das lag daran, dass sich Beuys erst in seinen 40er Jahren von der Bildhauerei kommend in die Aktionskunst hineingearbeitet hat. Noch in den 1970ern war Beuys – obwohl allseits bekannt – ständig unter dem Beschuss der Feinde der Aktionskunst (Kunstkritiker und zahlreiche Kollegen), von Politikern und großen Teilen der Bevölkerung. Man vergisst aus heutiger Sicht leicht, dass Beuys sich in dieser Zeit erst nach vorne arbeiten musste, als Wolf Vostell der führende Vertreter von Happening und Fluxus in Deutschland war. Das kann der Film noch nicht hervorbringen, denn diese Art des Künstlerdokumentarfilms mit vorgegebenem Material, wie in Veiel herstellte, ist als Gattung neu. Man sieht schon, welche Arbeit auf diesem Gebiet noch zu leisten ist.

Veiel verwendet aber auch Aufnahmen der Aktion „Celtic“, die im Edinburgh College of Art entstanden ist, wo Beuys Ende August 1970 „Celtic (Kinloch Rannoch), Schottische Symphonie“ an mehreren Tagen wie ein Theaterstück aufführte. Der Film präsentiert jedoch die erneute Aufführung 1971 in Basel, die ein großes Publikum in einer Halle anzog, das hier Zeuge eines Stücks wird, mit dem Beuys auf die Höhepunkte seiner Karriere als Aktionskünstler zusteuerte. Dass beide Aktionen im Ausland stattfanden, belegt, dass ihm dort vorbehaltlose Anerkennung gezollt wurde, während sie in Deutschland jeweils erkämpft werden musste. Die Aktion „Celtic“ führte er wie viele andere mit Henning Christansen auf, der für den musikalisch-technischen Teil der Aktion zuständig war. Auch hier wird ersichtlich, dass Beuys oft von Kooperationen mit anderen Künstlern profitieren konnte. So kam er überhaupt erst durch die Begegnung mit George Maciunas 1963 mit der Aktionskunst in Berührung. Davon sieht man im Film leider nichts. Auch hat Beuys entgegen des Spiels, das er mit dem Begriff „Eurasien“ betrieb, immer wieder den Kontakt gerade auch zu amerikanischen Künstlern gesucht und gefunden, so dass man nicht sagen kann, er hätte die USA und den amerikanischen Lebensstil ignoriert. Dass dies ausgerechnet von Caroline Tisdall in einem Statement verlautbart wird, verdreht die Geschichte. Vielleicht wird hier auch eine offene Rechnung mit Klaus Staeck beglichen – er kommt ebenfalls im Film zu Wort – ,der mit Beuys im Januar 1974 auf einer ersten Reise  in die USA das Terrain sondiert hatte. Mit der Aktion „Dillinger“  in Chicago hat Beuys diesen Besuch dauerhaft in die Kunstgeschichte eingeschrieben, und mit dem Slogan  „energy plan for the western man“, hatte er eine weitreichende Übertragung des Begriffs „soziale Plastik“ ins Englische geschaffen, die auf Vorträgen in den USA gut ankam. Vielleicht wird er sich sogar auf Dauer als schlagkräftiger erweisen als die kunstgattungsspezifische deutsche Bezeichnung.

Konflikte

Dass dieses unerwähnt bleibt, ist ein weiteres Manko des Films, in dem wegen der beeindruckenden Bilder der Aktion „I like America and America likes Me“ der Mythos des Künstler-Schamanen unkritisiert vordergründig bleibt, weshalb schließlich der politische Künstler Beuys nicht wirklich zu verstehen ist. Die revolutionäre Kraft, die man in Beuys sehen mag und die der Film durch die Konzentration auf das Charisma des Künstlers hervorbringen will, erschließt sich nicht allein visuell. Sie muss kunsthistorisch und begrifflich herausgearbeitet werden. Nur mit dem Zeigen seines Äußeren, das selbst ein Kunstprodukt ist, und der Wiedergabe seiner Äußerungen, wird man Beuys nicht gerecht.

Das in Kürze. Wer mehr wissen will, findet in den Ausführungen über die Aktion „Dillinger“ aus dem 5. Kapitel meines Buchs „Vorsicht bei Fett!“ hier auf dem Blog einige Anhaltspunkte.

Johannes Lothar Schröder