A Banksy was sothebyed — Sich selbst zerstörende Kunst

Banksy, Metzger, Rühmann …                           (scroll down for English version)

Bei Sotheby’s wurde heute, am 6. Oktober 2018, ein Bild von Banksy für 1,3 Millionen $ versteigert. In den Bilderrahmen hatte der Künstler zuvor einen Schredder eingebaut, der das Bild nach der Versteigerung in Streifen schnitt. Das Fotos von Rasimov zeigt von dem bekannten Streetart-Motiv, dass die Figur schon zerschnitten unterhalb des Rahmens hängt und der Luftballon aus dem oberen Teil des Bildes im Rahmen schon nach unten gerutscht ist.

Twittermeldung vom 6. Okt 2018, Versteigerung von Sotheby’s, (c) Ramin Nasibov, Twitter @RaminNasibov

Mit dem Bild, das zur Aktion wurde, hat sich Banksy in die Reihe der Künstler eingefügt, die den Ikonoklasmus nicht den Bilderfeinden überlassen, sondern die mit ikonoklastischen Handlungen selbst ein Zeichen gegen die Inanspruchnahme von Kunst setzen.

Autodestructive Art 1960er

G. Metzger, Acid Painting, 1961 (Kat. Generali Foundation, Wien 2005, S. 116)

1960 stellte Gustav Metzger die ersten sich selbst zerstörenden Bilder her, die er „Auto Destructive Acid >Action< Paintings“ nannte. Öffentlich „bemalte“ er auf Rahmen gespannte Vinylfolien mit Säure, so dass sich die Bilder in kurzer Zeit  auflösten. Ebenfalls 1960 veranstaltete Gustav Metzger das Destruction in Art Symposion (DIAS) in London.

Einen Akt der Sabotage der Ausstellung seiner Kunst lieferte auch der Hamburger Künstler Dieter Rühmann anlässlich der Verleihung des Lichtwark-Stipendiums, das er 1973 in der Hamburger Kunsthalle zugesprochen bekam. Als das Publikum den Ausstellungsraum betrat, schnitt Rühmann seine Bilder aus den Rahmen, so dass die zuvor dort präparierten und montierten Arbeiten eines Künstlerkollegen sichtbar wurden.

Dieter Rühmann. „das bist du“, 1973, restauriertes Bild (rechts) in der Ausstellungsansicht 3/2018

Ist Banksy überhaupt der Urheber der Zerstörung?

Die Arbeit von Rühmann zeigt aber auch was nach der Zerstörung passieren kann. Der Dienst den er seinem Kollegen erwies, dessen Bilder er freilegte, wurde Jahre später von einem anderen Kollegen erwidert. Es stellte sich heraus, dass dieser die Fetzen der Bilder, die Rühmann aus den Rahmen geschnitten hatte, geborgen hatte. Das Portrait brachte er restauriert zurück, während er die anderen als Lohn für seine Bemühungen behielt.

Die Weiterverwertung zeigt uns jetzt schon, dass der Sammler, der Banksys Bild erwarb, entweder die parallelen Streifen zusammenfügen lassen wird oder das Bild in seinem für einen Schablonendruck viel zu wuchtigen Rahmen als Dokument der Aktion präsentieren wird. Allein dieser Rahmen gibt aber zu denken. Wer hat entschieden, das Bild in so einem grotesken Rahmen anzubieten. War es ein abgekartetes Spiel, das inszeniert wurde, um Publizität zu erzeugen und Wertzuwachs in Sekundenschnelle zu generieren. Mit dem Rahmen zusammen hat sich der Kauf doppelt gelohnt, denn das Bild ist zum Dokument geworden. Ob es eines der Aktionskunst ist, muss sich erst noch erweisen.

© Johannes Lothar Schröder

A Banksy was sothebyed

For 1.3 Million USD the girl with the balloon went to Mr. or Mrs. XXX. However somebody built in a shredder into the frame, which began to work shortly after the auction. Social-media posts show half of the picture cut into strips looking out from under the frame.

No matter who designed the mechanism of autodestruction, that put Banksy into the line of iconoclastic artist, the happening brings into mind Gustav Metzger, the pioneer of autodestructive art. Since 1960 he executed several acid-paintings which destroyed themselves while being painted. By this he seriously avoids to be sothebyed nowadays after his dead in 2017.

A remarkable act of destruction of his own work of art was done by Hamburg based Dieter Rühmann, who during the opening of his show at the Hamburger Kunsthalle, cut his own artworks out of the frame, to show works of other artists, which were not honored by the Lichtwark-prize he has received.

Rühmann also shows that destruction is not only selfish and an act of self-promotion. It can also be an act of generosity as Rühmann offered his space in the frame of an exhibition to somebody else. Years after that one of the pictures he had cut out of the frame was returned to him by a colleague. He had collected the remains of the destruction and restored three of the pictures.

The grotesque frame, in which Banksy’s screen printing was presented, teaches another lesson: The new owner of the sheet has doubled the value of the work seconds after the purchase. The work is a document of destruction as well as it is a document of a coup. As the work was not given to Sotheby’s by Banksy himself, one can guess, that somebody else did the job of manipulating the frame not for artistic reason but to generate publicity.

© Johannes Lothar Schröder

From Carrying to Caring

PAST & NOW – a retrospective of Tatsumi Orimoto

PAST & NOW is the title of the retrospective of Tatsumi Orimoto organized by the Onomichi City Museum of Art (Hiroshima) from August 4th to September 16th. It honors one of the most active performance artists of Japan who has been traveling and showing his work in four continents since 1982.

The curators of the show and authors of the catalogue Noritoshi Motoda and Shinji Umebajashi enrol Orimoto’s work in 6 chapters.

The earliest works consisted of metal-bracelets and -tags which Orimoto attached to arms and clipped to ears of people – single or groups – he photographed in Thailand, India, Sri Lanka, Australia and Japan.

Carrying

In the 1980s Orimoto attracted attention by carrying-events, in which he carried bread, carton-boxes, a chimney, a tire-tube and other things alone or with somebody in various ways. This type of performance is still going on until today, when he carries a rabbit, a duck or a baby-pig, which are part of his performances with animals.

Tatsumi Orimoto: Carrying a Baby Pig on my Back, Juni 13, 2012, Poster (c) ART-MAMA Foundation

Bread-Man, which made him famous worldwide, developed out of carrying bread. Without a container Orimoto attached a loaf of bread or a number of different types of bread onto his face or around his head. Covered by this strange type of mask he performed not only in museums, but also in hospitals, stations and even in trains and boats. In public places and streets he often gathered large groups of people who formed surreal processions.

ART-MAMA

His father’s death forced Orimoto to take care of his mother who suffered from depression and Alzheimer. From 1996 on he created and documented numerous performances and events including “Art-Mama” as well as neighbors and friends within the domestic situation. After participating in the 49th Venice Biennale in 2001 he took the chance to expand these events with public lunches and gatherings of up to 500 grandmothers (Convent of Sao Bento de Castris, Evora, Portugal) in international locations and museums from Brazil to Denmark.

Last but not least the exhibition presented hundreds of his watercolors and pencil-drawings, which he created alongside of his performances especially while planning art-events, traveling and having his beer in the evening.

Everybody who likes the work of Orimoto or looks for an opportunity to get in touch with it should not miss this catalogue. Thoughtfully chosen examples of his work and shoots from the exhibition give an excellent overview on his work.

The catalogue is available at the ONOMICHI CITY MUSEUM OF ART, 17-19 Nishitsuchido-Cho, Onomichi-shi, Hiroshima 722-0032, Japan; please call for details!  Tel: 0081 (0) 849-23-2281 Fax: 0081 (0) 849-20-1682

Klingen in Hüllen

Die Ankündigung der „performativen Skulptur“ „in-visible“ von Florian Huber als 2. Akt des Stückes „Regeldrama“ ruft die KATASTASE auf, die im antiken griechischen Drama die Bewusstwerdung der Protagonisten bezeichnet, die aufbegehrend zur Erkenntnis kommen und sich schließlich handelnd wiederfinden. So begegnen sie dem Verlust des kindlichen Einvernehmens mit dem Leben, denn als Heranwachsende müssen sie sich nunmehr Tod und Gewalt stellen und erfahren Schmerzen.

Huber hat ein Bild dafür gefunden, das er als Installation mit 30 Meter S-Draht aufgebaut hat. Seine Aktion verändert diesen mit messerscharfen Klingen bewehrten spiralig ausziehbaren Draht mit Schafsdarm. Geduldig schiebt er Meter um Meter des für die Wurstherstellung gereinigten Dünndarms zunächst auf ein Stück Schlauch, mit dessen Hilfe er das zarte aber unglaublich feste Gewebe schließlich um den klingenbewehrten Draht zieht.

Florian Huber, KATASTASE (performative Skulptur), 2025 Kunst und Kultur e.V., Hamburg, Foto: johnicon @VG Bild-Kunst

Martialische Sperren

Durch die Aktion wird der Draht umhüllt und seine Gefährlichkeit zumindest symbolisch reduziert. Das ist der Befund, doch hat das Stück heute weitgehende Implikationen, weil es in einem Europa spielt, in dem die einige Jahrzehnte offenen Grenzen im vermehrten Maß wieder geschlossen werden. Wer an den messerscharfen Klingen hängen bleibt, riskiert beim Versuch, solche martialischen Absperrung zu überwinden, sich im federnden Draht immer stärker zu verheddern und schließlich zu verbluten.

Der Logik des Stückes und der Technologie des Drahts folgend umhüllt der Darm die scharfen Zacken real und dämpft zumindest symbolisch ihre Schärfe. Doch lässt sich im Draht, der mit dem transparenten tierischen Gewebe symbolisch-wahnwitzig gebändig wird, im Hinblick auf die Menschen und Gemeinwesen, die sich dahinter verschanzen, auch eine weitere Aussage lesen. Es zeigt sich das Selbstbild derjenigen, die sich einzäunen. Die Einheger, die sich von Schmerz, ja sogar von Unbequemlichkeit, befreien wollen, vermeiden es offensichtlich, sich der Katastase zu stellen und versuchen so das eigene Erwachsenwerden zu umgehen. Daher muss denen, die sich hinter Drahtverhauen verschanzen, eine narzisstische Störung unterstellt werden. Sie wollen ihrer kindlichen Bruchlosigkeit nicht entwachsen und versuchen diejenigen aufzuhalten, die erwachsen genug sind, um zu handeln. Diese versuchen unerträglichen Verhältnissen zu entkommen und werfen sich wie die jungen Helden des antiken Dramas in die Welt. Auf ihrer Flucht haben sie schon bewiesen, dass sie mit solchen Hindernissen fertig werden können, was natürlich die Furcht derer, die sich in ihrer EXPOSITION (1. Akt von „Regeldrama“) einigeln, noch erhöht.

Zeitdimension der Aktion

Das Besondere des Stücks ist die Dauer der Handlung, die sich in ihrer handwerklichen Einfachheit dem Zuschauenden schon nach einem Durchgang erschlossen hat. Dennoch blieben die meisten Anwesenden, allein um dem Künstler beizustehen oder um den Fortgang der Aktion zu gewährleisten. Eine stille Anfeuerung vielleicht für eine Fortsetzung

Florian Huber, KATASTASE (performative Skulptur), 2025 Kunst und Kultur e.V., Hamburg, Foto: johnicon @VG Bild-Kunst

des Tuns, das man langweilig nennen könnte, wenn es nicht eine Aufgabe enthalten hätte, wie z.B. über das Gesehene nachzudenken. Dabei ist die Zeit nicht unerheblich, die uns im Alltag offensichtlich so oft fehlt und der man auch im Theater kaum begegnet, wo es immer Schlag auf Schlag gehen muss. Hier wird eben die Symbolik, von der man meint, dass sie eine Kurzform ist, zu einer Langform: Die Durchführung des Symbols – also des Drahts durch den Darm – erwies sich als ausgesprochen langwierig und veränderte so auch den Symbolbegriff hin zum Erkenntnisakt, der wiederum in der Vorstellung einer konkreten leiblichen Handlung einen äußerst scharfen Schmerz evozieren könnte.

Trotz allem leben wir heute nicht mehr in der Antike und wollen das Schauspiel der Folter nicht geboten bekommen, weshalb Künstler Möglichkeiten wie diese Performance ersinnen. Sie arbeiten daran, wenn auch symbolisch, den Schmerz zu bezwingen. Doch ist das nur ein weiterer Hinweis darauf, dass er uns in welcher Weise auch immer, weiter quält.

Die Aktion fand statt am 13. 10. 2017 im 2025 Kunst und Kultur e.V. Ruhrstrasse 88  (Im Hinterhof, gr. zweispurige Toreinfahrt, bis zum Ende durchgehen), 22761 Hamburg.      Dort wird am 20.10. von 20-23 h Retardation, der 3. Teil des Stückes „Regeldrama“ (in 4 Teilen) gezeigt.