Elementares aus Holz

Zum Tod von Jerzy Bereś

Der polnische Künstler Jerzy Bereś ist am 25. Dez. 2012 mit 82 Jahren in Krakau gestorben.

Jerzy Beres, Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst, Bonn

Jerzy Beres, Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst, Bonn

Anfänglich Holzbildhauer hat Bereś seit den 1960ern zwar weiterhin mit Holz gearbeitet aber die mimetische Bearbeitung aufgegeben, um eine eigenwillige aktionistische und symbolische Verwendung des Rohstoffs anzustreben. Besonders wirkungsvoll setzte er Holz als Material seiner Manifestationen ein.

Kristine Stiles schrieb in „out of actions“ über seine Aktion mit dem Titel „Manifestacja romantyczna“:

„1981 schob der Künstler einen schweren Holzkarren über den Marktplatz von Krakau und entfachte fünf Freudenfeuer, die für Hoffnung, Freiheit, Würde, Liebe und Wahrheit standen.“ (Austellungskatalog, MAK Wien, dt. Fassung 1998, S. 311) Diese Aktion wurde 2011 erneut in Krakau aufgeführt und ist als Video zu sehen: http://vimeo.com/32738510

Jerzy Bereś, Toast II, Sokolowsko. Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst, Bonn

Jerzy Bereś, Toast II, Sokolowsko. Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst, Bonn

Holz verkörperte in der von Bereś bevorzugten Herangehensweise wie kein zweites Material eine Synthese der vier Elemente: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Insofern war Bereś ein Künstler, er die Bildhauerei zugunsten einer konsequenten Auseinandersetzung mit den elementarsten Eigenschaften dieses Grundstoffs menschlicher Kultur überwand.

Noch in seiner letzten Performance während der zweiten Edition des Festivals Kontexty im polnischen Sokolowsko im August 2012 lancierte er eine aktuelle Botschaft mit einer Arbeit. Der 82-jährige schrieb mit blauer Farbe „TOAST II“, SOKOŁOWSKO und das Datum in die gespaltenen Flächen beider Hälften eines Stück Baumstamms und band sie mit seinem blauen Stirnband zusammen, das – wie er eingangs der Performance verlautbarte – für das vereinte Europa steht. In die Geste des Zusammenfügens bezog er das Publikum mit einer Runde Wodka ein. Für viele war es ein Abschiedstoast auf den wichtigen Protagonisten der Polnischen Performance-Kunst. Seinem Werk wird während Kontexty III vom 28.07. – 1.08.2013 eine Ausstellung gewidmet.

Jerzy Bereś, Toast II, Sokolowsko. Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst, Bonn

Jerzy Bereś, Toast II, Sokolowsko. Foto: johnicon, VG-Bild-Kunst, Bonn

Symbolon

In der griechischen Antike diente das Symbolon Boten als Ausweis, den sie mitführten, um den Empfänger vor einer irreführenden Botschaft zu schützen. Die antiken Boten trugen dazu eine Hälfte einer zuvor zerbrochenen Münze und passten zum Zeichen ihrer Legitimation die abgebrochene Hälfte dieser Münze (das Symbolon) in die andere Hälfte des ursprünglich zusammengehörigen Stücks. Heute ist das Symbol ein zentraler Begriff, der eine unserer vornehmsten kulturellen Tätigkeiten bezeichnet: das Benennen von Dingen und Umständen, also das Zusammenfügen von Anschauung und Bedeutung.

Parzelliert und gestickt

Annegret Soltau: Ich war total suchend. Erzählt von Baldur Greiner, Weststadt Verlag Darmstadt 2013, Hardcover, 116 Seiten, 19,80 €

Unverwandt blickt die Frau auf dem Cover ihre Leser an. Ihr Gesicht ist mit Linien überzogen, die sich wie ein Tattoo über Haut, Nase, Brauen, Haare und Hals ziehen. Allerdings weist die Parzellierung des Gesichts zweierlei Lineaturen auf. Wie der rückwärtige Buchdeckel zeigt, ist das Foto Annegret Soltaus mit einem verschnürten Gesicht außerdem mit einem Faden übernäht. Eine Arbeitsweise der Aktionskünstlerin gibt sich darin genauso zu erkennen wie die künstlerische Reflexion des Gefangenseins und – wie es der Buchtitel andeutet – die Suche nach einen Wegen.

Umschlag, Vorderseite

Umschlag, Vorderseite

Der Band bringt Schwarz-Weiß-Abbildungen weiterer Werke der Künstlerin seit 1974. Obwohl er kein Kunstbuch ist, stellt die sorgfältige Auswahl, die mit einschlägigen Passagen aus ihrer Biografie synchronisiert ist, ihrer künstlerischen Entwicklung mit ihrer Suche nach Verbindungen und Entfesselungen umfassend vor. Private Fotos zeigen darüber hinaus – durchaus exemplarisch – eine junge Frau der kargen Nachkriegsjahre voller Neuanfänge inmitten reaktionärer Bemühungen, die alten Verhältnisse zu rekonstruieren. Die von ihrem Mann, dem Bildhauer Baldur Greiner erzählten Episoden aus dem Leben der Künstlerin entdecken den Lesern Kindheit, Jugend und Entwicklung dieser Protagonistin feministischer Kunst in Deutschland.

 

Eine und zwei Nachkriegsbiografien

Zufällig erscheint das Buch zeitnah mit zwei anderen Biografien aus der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit: Als Filme kamen „Quellen des Lebens“ von Oskar Roehler  und „ Das Wochenende“ von Nina Grosse nach dem autobiographischen Roman „Herkunft“ von Roehler und „Das Wochenende“  nach dem gleichnamigen Roman von Bernhard Schlink kürzlich in die Kinos. Grosse zeigt in ihrem Film einen aus der Haft entlassenen Terroristen, der an seinem ersten Wochenende im Haus seiner Schwester auf ehemalige Genossen, seine Geliebte und deren gemeinsamen Sohn trifft. Der Film gipfelt in der Konfrontation mit seinem Sohn, der seinen Vater bisher nur einmal für 10 Minuten im Gefängnis gesehen hat.

Beide Werke erzählen die Geschichte von Männern aus einem bürgerlichen kunstaffinen Milieu. Dem gegenüber stehen die von Greiner in einer knappen Sprache geschilderten Lebensumstände seiner Frau, die abgeschnitten vom bürgerlichen Leben ihre Kindheit im zum Wohnen hergerichteten Stall eines kriegszerstörten großmütterlichen Bauernhauses in den Elbmarschen verbrachte. Ihren im Krieg verschollenen Vater hat sie nie kennengelernt. Von ihm existiert lediglich ein Foto, das ihn in Uniform auf einer Brücke aus Birkenstämmen zeigt. Dieses Foto diente der vergeblichen Suche der Tochter nach Spuren von ihm, während ihre Mutter diese folgenreiche Episode am liebsten aus ihrem Leben gestrichen hätte.

Hier zeigt sich eine Gewalt, deren künstlerische und sprachliche Aufbereitung für Soltau im Vergleich zu den beiden Bestsellern und Filmen mindestens 20 Jahre länger gedauert hat. Die Mittel der Kunst waren nicht auf das Schicksal dieser Künstlerin zugeschnitten, die mit Aktionskunst, Zeichnung und Foto-Vernähung ihre Möglichkeiten selbst erfinden und erforschen musste. Dieses meint der Titel:  “Ich war total suchend“ und das Buch zeichnet die Suche dieser Künstlerin jenseits der Ressourcen auf, aus denen die Autoren und Filmemacher bürgerlicher Herkunft selbstverständlich schöpfen können.

 

Leibfeindlichkeit und Zensur

Die Foto-Vernähung mit dem Titel „generativ“

http://www.photoscala.de/Artikel/Die-Kunst-des-Alterns&h=351&w=500&sz=39&tbnid=JLUZTYWKeCzBXM:&tbnh=90&tbnw=128&zoom=1&usg=__uc25yzmRgs9ILQ-NSvhmSXTcVno=&docid=_hkGEXFAxLNM-M&sa=X&ei=8xh5UbHII8mTtAag7oDQDQ&ved=0CEAQ9QEwAg&dur=2311

sollte als Teil ihres Bildessays „Altern und Gestaltwandel der Frau“ in dem von Farideh Akashe-Böhme 1995 herausgegebenen Band „Von der Auffälligkeit des Leibes“ erscheinen, hätte nicht Siegfried Unseld diesen Beitrag zensiert. (vgl.: Darmstädter Dokumente No. 2, Presse- und Informationsamt des Magistrats der Stadt Darmstadt, 1997)  Gegen die nackten Frauenkörper schlugen bei Unseld Ressentiment und Leibfeindlichkeit durch, gegen das ihn das Verlegen der Schriften von Bloch, Adorno, Habermas, Benjamin etc. nicht immunisiert hatten. Dieser Mann ließ vielmehr die Schranken zwischen den Geschlechtern, den Klassen und den verschiedenen Ästhetiken erneut absenken, weil ihm die Vernähungen von vier Frauenkörpern unterschiedlichen Alters (Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und Tochter) zu ungeheuer waren, als dass er seinen persönlichen Abscheu durch Vernunft hätte überwinden können.

Annegret Soltaus Werk verkörpert das Potential einer Kunst, für das die Türen in einer von anderen gesellschaftlichen Erfahrungen bestimmten Kunstwelt nur widerstrebend und wenn dann zunächst nur einen Spalt breit geöffnet werden. Dieser jetzt vorliegende biografische Band lässt erkennen, dass die ästhetischen Differenzen um das Werk dieser Künstlerin nicht nur die feministische Seite ihrer Kunst betreffen, sondern auch gespaltene Lebenswelten eine Rolle spielen. Wie das Netz vor dem Gesicht der Künstlerin offenbart die Zensur Unselds exemplarisch die meist unsichtbaren aber gleichwohl folgenreichen Parzellierungen in Kunst und Gesellschaft. Entsprechend abgestuft fällt der Aufwand aus, mit dem die Institutionen ihre Protagonisten aus verschiedenen Klassen würdigen.

Umschlag, Rückseite

Umschlag, Rückseite

Testing the Wrestling Woman from New Zealand

As frequent guest in the showcase I was dragged into a quarrel with the Wrestling Woman from New Zealand. (Alexa Wilson) http://alexawilson.blogspot.de/ I made a mistake starting to discuss the Euro with her, and she does not seem to worry about losing money in Cyprus. But probably she mixed my up with an officer of the tax-police, and attacked

The Wrestling Woman photo: johnicon, VG-Bild-Kunst, Bonn

The Wrestling Woman
photo: johnicon, VG-Bild-Kunst, Bonn

me. In the beginning of that fight I was lucky and got her lifted on my shoulders until she used her secret weapon: I had the feeling that my brain was cooked. I broke down – probably by a microwave-attack – and they had me stretched on the stage. Luckily I woke up soon and today I am already able to report this to you! Come and enjoy life experience at “Aktionen // Attraktionen” during the Hamburger Dom.

Auf die Bretter der Schaubude

Als wiederkehrender Gast in der Schaubude ließ ich mich am 11. April auf einen Kampf mit der Wrestling Woman aus Neuseeland (Alexa Wilson) http://alexawilson.blogspot.de/ ein, nachdem ich den Fehler gemacht hatte, sie in eine Diskussion über den Euro zu verwickeln. Sie ließ keine Sorgenfalten erkennen, denn sie konnte offensichtlich ohne Einbußen ihr Geld aus Zypern retten. Trotzdem zog sie mich – wohl weil sie mich mit einem Beamten der Steuerfahndung verwechselte – in einen Kampf. Zunächst gelang es mir, sie auf meine Schultern zu heben, doch dann bezwang sie mich, indem sie mein Gehirn – vermutlich durch Mikrowellen – zum Kochen brachte. Ich brach auf der Stelle zusammen – doch wie ein Discount-Angebot – nur für kurze Zeit, denn heute bin ich so weit genesen, dass ich dieses Erlebnis für euch aufschreiben kann. Also, wenn ihr etwas erleben wollt: Nichts wie hin in die Schaubude „Aktionen // Attraktionen“ auf dem Hamburger Dom!