Das erste Buch, das es auch als Hocker gibt.

– Scroll down for English version – Scroll down for English version – Scroll down for Engl

Hockerturm aus drei Varianten, Tower of stools from variant 1 to 3, copyright by johnicon, VG Bild-Kunst 2017

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Vorsicht bei Fett!“ (ISBN 978-3-936406-55-9) ist das erste Buch, das es auch als Hocker gibt. Aus den Typoskripten und Korrekturfahnen eigenhändig geleimt ist die große Version sogar tragfähig. Die kleineren können als Tischhocker oder Buchablage benutzt werden. Alle drei Varianten ziehen Blicke auf sich und sind Ausstellungsstücke, denn sie fallen wegen der unterschiedlichen Papiere auch als Auflagenobjekt unterschiedlich aus.

Genau die richtige Überraschung! Perfekt als Geschenk! In drei Größen!
Klein:  H ~ 5cm, Ø ~6cm für 55€
Mittel: H ~16cm, Ø ~18cm für 95€
Groß: H ~30 cm, Ø ~30 cm) für 180€

Das Buch gibt es bei jeder Bestellung für 12€ dazu.

Titelblatt und Klappentext, johnicon, VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Von jeder Größe sind aktuell jeweils zwei Exemplare vorrätig!
Daher am besten sofort bei mir reservieren 0170-4321065 und abholen.
Selbstverständlich ist auch eine Anlieferung gegen Vorkasse und mit Rechnung möglich. Dann beträgt die Verpackungs- und Portopauschale im Inland für den kleinen 10€ und bei anderen Größen 15€.

Bei der Bestellung aller drei Größen für 300€  entfällt die Lieferpauschale.

Allen Lesern des Blogs eine schöne Adventszeit wünscht

Johannes

The first book that is designed as a stool

Dear friends and collegues,

„Vorsicht bei Fett!“ (ISBN 978-3-936406-55-9) is the first book that is designed as a stool also. It is manufactured from typescript pages by myself. On the big one you can even sit. It is delivered in three versions in small editions of 10, eight and five. Each one is different as I use the original typed script with marks and writings.

The perfect surprise-present:

small:  H ~ 5cm, Ø ~6 cm for 55€
middle: H ~16cm, Ø ~18cm for 95€
big: H ~30 cm, Ø ~30 cm) for 180€

You get a book with it for only 12€  instead of 18€

Reservations  0049170-4321065

Handling and shipping is: for the small stool 15€ within EU, 40€ non EU, and 65€ Overseas;
Big and Middle 30€ (EU), non-EU 40, Overseas and 65€ extra.

You have to pay in advance!

All readers and friends of my blog have a nice Advent and happy holydays!

Johannes

Dunkle Räume und Dunkle Materie – sonntägliche Streifzüge und Vermutungen

Linsentrübung

Sturmtief „Herwart“ stoppte fast alle Züge im Hauptbahnhof, so dass ich meine Schritte in die eigene Stadt lenkte und dem Kunstverein in Hamburg einen Besuch abstattete. (Auch wochentags erst ab 12 Uhr geöffnet!) So bekam ich Fotos von Wolfgang Tillmans im Dämmerlicht zu sehen. Auch wenn die Steigerung der ästhetischen Wirkung von Fotos durch Hollywood-Nacht-Folie auf den Scheiben bezweifelt werden muss, brachte sie immerhin die Ondulation der Wellen an einem Sandstrand gut zur Geltung, weil das Video sich zum einen hell leuchtend abhob und zum anderen – als Hochformat projiziert – die Bewegungen des Motivs durch die ungewöhnliche Perspektive eindringlich verstärkte. Eine Sensation, die für Erkenntnisverweigerer wie mich geschaffen war, denn die bereitgestellten Flachvitrinen erweiterten meine Wahrnehmungsmöglichkeiten nicht. Wo sollte „Die Greifbarkeit von Zeit“, wie es in einem Twitter-Post des Kunstvereins hieß, entdeckt werden können? Sie sei „das Anliegen der Aluminiumtische …“, hieß es; doch die Kiesel, Briefmarken und sonstiges Sammelsurium blieben unter den Glasabdeckungen außer Reichweite. Die Veranstalter, so scheint es, hatten ihren Spaß beim Aufbau der Ausstellung oder vielleicht auch im Sommer am Strand, doch bleibt es ein Rätsel, warum sich Profis nicht vorstellen können, dass Ausstellungsbesucher, die die Umstände in eine Ausstellung gespült hat, ihre Spiele mit der Zeit nicht nachvollziehen können. So kann es gehen in Institutionen des Sehens, deren Personal möglicherweise an Linsentrübung leidet, weil es im Taumel des 200-jährigen Jubiläums des Kunstvereins in Hamburg geblendet worden ist. Um keinen falschen Eindruck über die Wahrnehmungsmöglichkeiten in der Ausstellung zu wecken, blieben die vom Kunstverein angebotenen Pressefotos ungenutzt.

Hat Materie ein Schamgefühl?

Schauplatzwechsel: Die 15 KünstlerInnen, die in den Einrichtungen des Deutschen Elektronen Synchrotrons (DESY) in Hamburg-Bahrenfeld ausstellen, haben sich aus den gespurten Pfaden des Kunstbetriebs in eines der aufregendsten Felder der Grundlagenforschung gewagt. Sie wollten dicke Bretter bohren und haben auf Initiative der Künstlerin Tanja Hehmann und des Physikers Christian Schwanenberger auf dem riesigen Gelände und in den gigantischen Fertigungshallen nach Plätzen gesucht, an denen ihre Arbeiten mit den Maschinen, mit denen die Experimente hergestellt und ausgewertet werden, in Dialog treten. Hier einen Platz für Kunstwerke zu suchen, ist ein Wagnis, denn in den Experimentieranlagen aus kilometerlangen Tunneln und mit wohnblockgroßen Anlagen, in denen ausgewertet und geforscht wird, treffen sowieso schon Extreme aufeinander. In Rohren, die bis zum absoluten Nullpunkt gekühlt werden, beschleunigen die stärksten Magnetfelder Materiebestandteile auf annähernd Lichtgeschwindigkeit, um die Spuren ihres Zerfalls zu messen oder für Experimente zu nutzen. Das Kleinste tritt sozusagen mit dem Gigantischen in Beziehung und kann auch als eine Metapher für die Begegnung von Kunst und Grundlagenforschung dienen. Die Veranstaltungen des Dark Matter Days und der Nacht des Wissens (4. Nov.) werden zum Anlass genommen, um das Abenteuer dieser Begegnung einer großen Öffentlichkeit darzubieten. Beide Seiten haben ihre Mühe damit, das Unsichtbare sichtbar zu machen, ihre Vermutungen und Verfahren zu erklären und die Ergebnisse von Prozessen, die im Verborgenen stattfinden, nachvollziehbar darzustellen, sofern nicht schon beeindruckende Größe die Besucher zum Schweigen bringt.

Julia Münstermann: Electric Shadow, 2017 in der Beschleuniger-Testhalle am DESY Hamburg, Foto: johnicon @VG Bild-Kunst

Aufwand und Ertrag

Hier zeigt sich wie ungleich die Mittel zur Gewinnung von Erkenntnissen verteilt sind und welcher Aufwand welchem Ertrag gegenüber steht. Solche Einwände kennen Künstler und Forscher gleichermaßen. Dennoch ist es zu einfach, die Gemeinsamkeiten zwischen Grundlagenforschern und Künstlern darin zu sehen, dass beide Seiten etwas suchen würden, dass sie nicht kennen, also ergebnisoffen experimentieren. Das kann bestenfalls als erste These dienen, denn kaum etwas ist materiell gesehen asymmetrischer wie ein Forschungsvorhaben, das Milliarden von Euros benötigt und für das Wissenschaftler, Ingenieure, Industrieunternehmen und Handwerker Maschinen-Prototypen entwickeln und realisieren, auf der einen Seite und auf der anderen die oft individuelle künstlerischen Praxis in Ateliers, für deren Miete Jobs angenommen werden müssen. Allerdings – und das muss man festhalten – wurden auch die Grundlagen der Kernphysik z.B. in der Küche von Marie Curie gewonnen. Vielleicht stehen ja die Arbeiten mancher Künstler heute dort, wo die Kernphysik vor einem Jahrhundert stand, als man noch mit geringen Ressourcen in zeitraubender Kleinarbeit grundlegende Erkenntnisse gewinnen konnte.

15% zu 85%

Am Ende muss offen bleiben, ob sich Bilder, Objekte oder Installationen, die sich unter den Bedingungen der Produktion und den Möglichkeiten des Materials ständig verändern, strukturelle Ähnlichkeiten mit einem Forschungsprojekt haben, das zwar ergebnisoffen ist, aber die Möglichkeit des Scheiterns einkalkulieren muss? Möglicherweise kommt es gerade auf den kaum zu fassenden Zustand des Fließens an, der auch eine Herausforderung der Teilchenforschung ist, denn es ist so eigenartig wie eigentümlich, dass sich Teilchen unter Beobachtung anders verhalten als unbeobachtet. Man hat es immerhin errechnet, aber wer weiß, was es damit auf sich hat? Dreht sich die Dunkle Materie einfach weg, wenn man sie sucht? So etwas Verrücktes annehmen könnten nur Künstler, denkt man, doch müssen auch Wissenschaftler zu Allem entschlossen sein, um neue Wege zu gehen. Es scheint, dass wir aktuell an einem Scheideweg stehen, an dem allein die Menge der Mittel und die Größe der Apparaturen nicht mehr ausreichende Voraussetzungen sind, um Zufallstreffer zu erzielen. Wie kann es sein, dass offensichtlich 85% der Materie im Weltraum den menschlichen Sinnen und Maschinen entgeht? Da die Gesetze der Physik mit den als Materie nachweisbaren 15%  der Stofflichkeit des Weltalls nicht aufrecht erhalten werden können, muss die fehlende Materie nachgewiesen werden, oder alle Grundlagen der Physik müssen überprüft werden. Aufgrund der vielen Fragen, die zur Zeit nicht beantwortet werden können, ist es ein gutes Zeichen, dass Physiker und Künstler zusammenfinden, um schließlich auch die Grundlagen des Denkens und der Anschauung zu überprüfen. Letzteres – also die Wahrnehmung – ist ein Problem der Ästhetik, womit wir ein wirklich interdisziplinäres Projekt vor uns haben.

Jan Köchermann: Frassek Space Collector, Objekt, verschiedene Materialien 2017 @desy #artmeetsscience Foto: johnicon @ VG Bild-Kunst 2017

Kommen wir nach diesem Ausflug noch einmal zur Ausstellung von Wolfgang Tillmans zurück. Nach der Begegnung mit Dunkler Materie ist es vielleicht erhellend, die Möglichkeit zu erwägen, dass ein Künstler seine Bilder den Blicken entzieht, um das Offensichtliche zu verbergen. Möglich ist auch, dass er sich dafür schämt und sie ins Halbdunkel hängt, damit sie mehr Intimität haben. Doch muss man fragen, warum ein etablierter und vielfach ausgezeichneter Fotokünstler immer wieder auf Objekte zurückgreift? Warum ist es so reizvoll die flachen Exponate mit der Haptik und Dreidimensionalität von Objekten zu konfrontieren, obwohl jeder weiß, dass ein Abbild nicht das Original sein kann? Im Kunstverein sind es Steine, die verkleinerte Varianten von Gebirgen, also mithin der Erdgeschichte, sind und Briefmarken, die u. a. Miniaturen von Landschaften, Städten und historischen Gegebenheiten darstellen. Vielleicht ist es das, was die Autoren des Kunstvereins mit „Zeit“ meinen. Ein anderes Modell bietet Jan Köchermann an. Er hat den Frassek Space Collector auf einem Fahrzeug installiert, um Materie zu sammeln und zu messen. Der Künstler erzählt die Geschichte von Frassek, einem Naturforscher, der in der DDR mit seinen Experimenten den Argwohn erweckt habe, Esoteriker zu sein. Unter den heutigen Bedingungen, also der Unsicherheit über die Existenz von Dunkler Materie, bekommen solche Experimente am Rande der Scharlatanerie neue Aktualität; denn was wäre, wenn sich der enorme technologische und fiskalische Aufwand für die Suche nach Dunkler Materie als Flop erweist oder Frassek gar nicht existiert hätte?

Art Meets Science, Notkestraße 85 ist noch bis zum 9. 11. geöffnet. Dokumentation, weitere Texte, Pressespiegel und Hinweise auf der Homepage: www.desy.de/artmeetsscience   

Wolfgang Tillmans: Zwischen 1943 und 1973 lagen 30 Jahre. 30 Jahre nach 1973 war das Jahr 2003, Klosterwall 23 ist noch bis zum 12. 11. geöffnet.
www.kunstverein.de

Klingen in Hüllen

Die Ankündigung der „performativen Skulptur“ „in-visible“ von Florian Huber als 2. Akt des Stückes „Regeldrama“ ruft die KATASTASE auf, die im antiken griechischen Drama die Bewusstwerdung der Protagonisten bezeichnet, die aufbegehrend zur Erkenntnis kommen und sich schließlich handelnd wiederfinden. So begegnen sie dem Verlust des kindlichen Einvernehmens mit dem Leben, denn als Heranwachsende müssen sie sich nunmehr Tod und Gewalt stellen und erfahren Schmerzen.

Huber hat ein Bild dafür gefunden, das er als Installation mit 30 Meter S-Draht aufgebaut hat. Seine Aktion verändert diesen mit messerscharfen Klingen bewehrten spiralig ausziehbaren Draht mit Schafsdarm. Geduldig schiebt er Meter um Meter des für die Wurstherstellung gereinigten Dünndarms zunächst auf ein Stück Schlauch, mit dessen Hilfe er das zarte aber unglaublich feste Gewebe schließlich um den klingenbewehrten Draht zieht.

Florian Huber, KATASTASE (performative Skulptur), 2025 Kunst und Kultur e.V., Hamburg, Foto: johnicon @VG Bild-Kunst

Martialische Sperren

Durch die Aktion wird der Draht umhüllt und seine Gefährlichkeit zumindest symbolisch reduziert. Das ist der Befund, doch hat das Stück heute weitgehende Implikationen, weil es in einem Europa spielt, in dem die einige Jahrzehnte offenen Grenzen im vermehrten Maß wieder geschlossen werden. Wer an den messerscharfen Klingen hängen bleibt, riskiert beim Versuch, solche martialischen Absperrung zu überwinden, sich im federnden Draht immer stärker zu verheddern und schließlich zu verbluten.

Der Logik des Stückes und der Technologie des Drahts folgend umhüllt der Darm die scharfen Zacken real und dämpft zumindest symbolisch ihre Schärfe. Doch lässt sich im Draht, der mit dem transparenten tierischen Gewebe symbolisch-wahnwitzig gebändig wird, im Hinblick auf die Menschen und Gemeinwesen, die sich dahinter verschanzen, auch eine weitere Aussage lesen. Es zeigt sich das Selbstbild derjenigen, die sich einzäunen. Die Einheger, die sich von Schmerz, ja sogar von Unbequemlichkeit, befreien wollen, vermeiden es offensichtlich, sich der Katastase zu stellen und versuchen so das eigene Erwachsenwerden zu umgehen. Daher muss denen, die sich hinter Drahtverhauen verschanzen, eine narzisstische Störung unterstellt werden. Sie wollen ihrer kindlichen Bruchlosigkeit nicht entwachsen und versuchen diejenigen aufzuhalten, die erwachsen genug sind, um zu handeln. Diese versuchen unerträglichen Verhältnissen zu entkommen und werfen sich wie die jungen Helden des antiken Dramas in die Welt. Auf ihrer Flucht haben sie schon bewiesen, dass sie mit solchen Hindernissen fertig werden können, was natürlich die Furcht derer, die sich in ihrer EXPOSITION (1. Akt von „Regeldrama“) einigeln, noch erhöht.

Zeitdimension der Aktion

Das Besondere des Stücks ist die Dauer der Handlung, die sich in ihrer handwerklichen Einfachheit dem Zuschauenden schon nach einem Durchgang erschlossen hat. Dennoch blieben die meisten Anwesenden, allein um dem Künstler beizustehen oder um den Fortgang der Aktion zu gewährleisten. Eine stille Anfeuerung vielleicht für eine Fortsetzung

Florian Huber, KATASTASE (performative Skulptur), 2025 Kunst und Kultur e.V., Hamburg, Foto: johnicon @VG Bild-Kunst

des Tuns, das man langweilig nennen könnte, wenn es nicht eine Aufgabe enthalten hätte, wie z.B. über das Gesehene nachzudenken. Dabei ist die Zeit nicht unerheblich, die uns im Alltag offensichtlich so oft fehlt und der man auch im Theater kaum begegnet, wo es immer Schlag auf Schlag gehen muss. Hier wird eben die Symbolik, von der man meint, dass sie eine Kurzform ist, zu einer Langform: Die Durchführung des Symbols – also des Drahts durch den Darm – erwies sich als ausgesprochen langwierig und veränderte so auch den Symbolbegriff hin zum Erkenntnisakt, der wiederum in der Vorstellung einer konkreten leiblichen Handlung einen äußerst scharfen Schmerz evozieren könnte.

Trotz allem leben wir heute nicht mehr in der Antike und wollen das Schauspiel der Folter nicht geboten bekommen, weshalb Künstler Möglichkeiten wie diese Performance ersinnen. Sie arbeiten daran, wenn auch symbolisch, den Schmerz zu bezwingen. Doch ist das nur ein weiterer Hinweis darauf, dass er uns in welcher Weise auch immer, weiter quält.

Die Aktion fand statt am 13. 10. 2017 im 2025 Kunst und Kultur e.V. Ruhrstrasse 88  (Im Hinterhof, gr. zweispurige Toreinfahrt, bis zum Ende durchgehen), 22761 Hamburg.      Dort wird am 20.10. von 20-23 h Retardation, der 3. Teil des Stückes „Regeldrama“ (in 4 Teilen) gezeigt.