Art-Mama of Life-Art died

One of the longest experiments Life-Art came to an end Thursday, May 25th 2017. Odai Orimoto, better known as “Art-Mama”, died at the age of 98 in Kawasaki-City. She has become part of the art-world, since Japanese Fluxus-Artist Tatsumi Orimoto included her in his Life-Art in 1996 and launched photoprints of “Tire-Tube-Communication” showing Odai with neighbors in her garden and in her living room.[1] It seemed slightly disturbing to the audience, to see three old ladies with tires as necklaces, and later also “Art-Mama”

Small Mama + Big Shoes, Kawasaki 1997, Courtesy of the artist

with gigantic custom-made shoes. But Orimoto’s work is about the burden of getting old and feeling one’s body as a weight, which becomes heavier and heavier every year. These aspects of the mature body, which have never been reflected by Body Art were introduced by Tatsumi Orimoto for the first time in art history. He started this unique artistic collaboration with his mother who was suffering from depression and Alzheimer’s disease and it lasted for 21 years. The whole artistic production of that period was labelled “Art-Mama” and focuses on the aesthetic implications of the growing number of elderly people in many contemporary societies. Beside the physical self-awareness it deals with the shrinking field of vision, deteriorated hearing and haptic sensations.

The last time, that Odai appeared in a public performance, was at a lunch for 50 grandmas in the Kawasaki-City-Museum in 2006. After that Orimoto spent more and more time taking care for his mother. Nevertheless he travelled in Japan and abroad, to show his new work (see several articles in this blog – just tick on Orimoto, Art-Mama and other key-words of this article like artist’s mothers) which he produced at home including his mother as usual and experimenting with new objects and tools related to his care-taking like diapers and wheelchairs.

The Stress with the Wheelchair, Kawasaki-City 2012, courtesy of the artist

Last year Orimoto appeared as a woman’s drag as “Art-Mama” by himself. Here he investigates the field of similarity and imitation not only of facial expression but also on body-language and habits as a topic in the arts.

[1] The first European shows of this series was realized by Aktionsgalerie in Berlin in 1999 and Fotogalerie Wien in April 2000 (Catalogue # 160, Vienna 2000)

Anziehungskräfte. Das Weiterwirken der Body-Art

Die Ausstellung „OWL4 – Gegenspieler“ ist noch bis zum 1. Nov. im Marta Herford zu sehen.

Die Ausstellung, die im Titel zufällig auch ein Stück des Namen meines Blogs trägt, doch in Herford den Kulturraum Ost-Westfalen-Lippe (OWL) meint, ist mir ein Anlass über zwei wichtige Protagonisten der intermediären Kunst aus verschiedenen Generationen zu schreiben.

In den 1960er Jahren, als die Begriffe Intermedia und Body-Art in Deutschland nur geringe Resonanz fanden, war es eine gute Idee in die USA auszuwandern. Der in Herford 1935 geborene Hans Breder tat das, um seine Interessen nach dem Studium an der HFBK in Hamburg in New York zu realisieren. Als Assistent von George Rickey fand er seine eigene Interpretation des erweiterten Kunstbegriffs und prägte unabhängig von Dick Higgins den Begriff „Intermedia“ mit einem von Anthropologie und Körperkunst bestimmten Akzent.

Hans Breder: Body/Sculpture 6. Cuilapan Mexico, 1973, Vintage Silbergelatineabzug 19x19, Courtesy Hachmeister Galerie, Münster (c) Der Künstler

Hans Breder: Body/Sculpture 6. Cuilapan Mexico, 1973, Vintage Silbergelatineabzug 19×19, Courtesy Hachmeister Galerie, Münster (c) Der Künstler

Fotografien, die er „Body/Sculpture“ nannte, sind in der Ausstellung „Gegenspieler“ in seinem Geburtsort  zu sehen und bezeugen sein Interesse an surrealen Motiven. Die Arkaden, vor denen sich weibliche Schenkel und Hintern stapeln, verraten den Einfluss Giorgio de Chiricos und der Figuren von Hans Bellmer. Wo letzter durch Gelenke Schenkel, Hinterteile und Beine durch Gelenke grotesk verrenken konnte, verdoppelte Breder die Extremitäten durch Spiegel, die so geschickt in die Landschaften oder vor Fassaden mit Körpern arrangiert wurden, dass die gesichts- und rumpflosen  Wesen zu Vielbeinern und -füßern mutieren. Diese in Mexiko realisierten Fotoserien trafen den Geist der Zeit, so dass Breder, der 1970 das „Center for Performing Arts“ an der staatlichen Universität von Iowa mitbegründete, später dessen Direktor wurde. Berühmte Schüler waren Ana Mendietta und Charles Ray. Gut, dass Breder durch seine Verbindung mit der Universität Dortmund seine Auffassung der Körperkunst, wenn auch spät, schließlich in Deutschland propagieren konnte.

Isabelle Wenzel, Installation mit Fotos in der Ausstellung, Foto: johnicon, VG Bild-Kunst

Isabelle Wenzel, Installation mit Fotos in der Ausstellung, Foto: johnicon, VG Bild-Kunst

Eine weitere Künstlerin fiel im Rahmen der Ausstellung sowohl durch die Posen der abgebildeten Körper wie auch durch den zur Präsentation der unterschiedlich großen Fotos gebauten Käfig auf. Die Fotos von Isabelle Wenzel (Jg. 1982) waren außen – potentiell auswechselbar – an dem frei im Raum stehenden Körper angebracht. Die Gesten der Modelle und oft auch der Künstlerin selbst sind in ihrer Festigkeit beeindruckend. Das gilt besonders, wenn man weiß, dass die Künstlerin oft ihr eigenes Modell ist. Sie entwickelt für eine bestimmte Orte eine Bildidee, richtet die Kamera ein und muss dann die abgebildeten Posen in den wenigen Sekunden einnehmen, in denen der Selbstauslöser der Kamera läuft. Die Gesten und Posen beeindrucken wegen ihrer Originalität, die nicht den Vorgaben aus Mode und Werbung entsprechen. Eher erinnern sie an barocke Figuren und Bauplastik, die man weit oben an den Fassaden, unter Gebäudedecken oder hinter Altären aus ungewohnten Blickwinkeln zu Gesicht bekommen kann. Die Eigenheiten der Körpersprache könnte man auch von der besonderen Beziehung der Körper zur Gravitation her verstehen und beschreiben. Die Künstlerin hätte dann die Erdschwere als Antagonisten gewählt, dem sie sich hingibt, um die zeitgenössischen Einwirkungen von Maschinen und Verkehrsmitteln auf den Körper zu ignorieren. Sie verhält sich so, als würde man mit dem durch Body Art geprägten Blick die Schwere von Menschen fotografieren, die ohne maschinelle Hilfsmittel in Industrie und Landwirtschaft arbeiten.

Isabelle Wenzel: Field Studies - Wuppertal 2, 2015, Inkjet Fine Art Print, 100x133, (c) Die Künstlerin

Isabelle Wenzel: Field Studies – Wuppertal 2, 2015, Inkjet Fine Art Print, 100×133, (c) Die Künstlerin

Nicht, dass ich die Arbeiten der anderen Künstler übergehen wollte, die wie die Fotos und Videos von Jacqueline Doyen mit den an von ihr selbst entworfenen Geräten turnenden Modellen, einen Einblick in das Weiterwirken der Body Art geben, beschränke ich mich doch auf die genannten Beispiele. Weitere Künstler in der Ausstellung sind Renke Brandt, Andrea Grützner, Seha Ritter, Britta Thie, Michael Weißköppel und Suse Wiegand

(c) Johannes Lothar Schröder

 

Geschwindigkeit – Generationen – Vatersuche – Matriarchat

Die Suche nach dem Vater steht im Mittelpunkt der Ausstellung Teilen_Verbinden von Annegret Soltau in der Kunsthalle der Sparkassenstiftung in der Kulturbäckerei Lüneburg im Juni 2016. Eine Sequenz im Raum hängender Folien, in die Selbstportraits eingeschweißt wurden, heißt „Vatersuche“. An Stelle ihres Gesichts sind fragmentierte Schreiben von Dienststellen eingenäht, die sie um Mithilfe bat, das Schicksal des vermissten Wehrmachtsoldaten aufzuklären, von dem sie nur ein Foto besitzt.

Annegret Soltau: Vatersuche, 2003-2007, courtesy: Annegret Soltau, VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Foto: johnicon

Annegret Soltau: Vatersuche, 2003-2007, courtesy: Annegret Soltau, VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Foto: johnicon

Um diese im Raum hintereinander aufgehängte Reihe dutzender Folien sind weitere Fotoarbeiten gruppiert, zu denen Foto-Vernähungen wie „Transgenerativ“ http://www.annegret-soltau.de/de/galleries/generativ-1994-2005 genauso gehören wie die zwei 150×240 cm großen Fototableaus „Hindurchgehen 1 und 2“.  Sie bestehen aus je 240 Schwarz-Weiß-Abzügen von 6×6-Negativen. Jedes einzelne zeigt ihren Körper in Bewegungsphasen, die durch Ritzungen in den Negativen mit harten kontrastreichen Linien  dynamisiert wurden, bis sie sich in eine futuristisch anmutende abstrakte Figur verwandelt hatten. Jedes dieser hybriden Negative aus Ritzung und Fotos wurde mehrmals in einem anderen Stadium der Bearbeitung abgezogen, bis aus jeder Fotografie ein zeichenhaftes Gebilde und am Schluss ein schwarz gefülltes Quadrat geworden war. Der Körper hatte sich so von seinem fotografischen Abbild in ein Zeichen von Bewegung und Geschwindigkeit verwandelt bis er verschwand.

Hindurchgehen, Fototableau 150x240 cm (Ausschnitt), Die Bildrechte liegen bei: Annegret Soltau, VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Hindurchgehen II, Fototableau 1983-84, 150×240 cm (Ausschnitt), Die Bildrechte liegen bei: Annegret Soltau, VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Wesentlich für die Entwicklung des fotographischen Werks von Soltau ist ihre Auseinandersetzung mit zeitlichen Prozessen, von denen die Geschwindigkeit ein Aspekt ist, den zuvor schon die Futuristen mit Krieg in Zusammenhang gebracht hatten. Mit den Fotosequenzen legt Soltau als eine der Body Art nahe stehende Künstlerin die verschiedenen zeitlichen Ebenen offen, die sich in ihren Körper eingeschrieben haben. Dabei erlauben es die bearbeiteten Negative, den Schauplatz der Einschreibung auf das fotographische Material zu verlegen und so von Leiden und Entbehrungen des Körpers zu trennen, den einigen ihrer Zeitgenossen in Performances öffentlich malträtiert haben. Die Abzüge von Selbstportraits, die jeweils mit echten Stecknadeln gespickt worden sind, bestätigen diesen symbolisch gewordenen Zusammenhang. Der Verlust des Vaters, die vergebliche Suche nach ihm und die Entbehrungen der Nachkriegszeit werden jeweils durch die Bearbeitungsprozesse des Bildmaterials als physische Erfahrung vergegenwärtigt. So durchdrangen die Nadelstiche in Versatzstücke wie zerrissene Fotos und zerschnittene Dokumente und fügten sie mit den daran hängenden Fäden wie Häute zu einem Ledermantel zusammen. Folien und Fotopapiere verhalten sich tatsächlich wie Surrogate gegenüber den traditionellen Materialien, die wie Pergament immer schon als Bildträger genutzt wurden.

Die Bildrechte liegen ich überstochen, 1991/1992, Foto, Stecknadeln (Ausschnitt), courtesy: Annegret Soltau VG Bild-Kunst, Bonn, 2016

Die Bildrechte liegen ich überstochen, 1991/1992, Foto, Stecknadeln (Ausschnitt), courtesy: Annegret Soltau VG Bild-Kunst, Bonn, 2016

Auf eine archaische Art und Weise werden die insgesamt vier Generationen der Frauen der Familie zu grotesk surrealen Bildern zusammengefügt. Diese simultanen Ansichten verschiedenen Altersstufen von Frauen und Mädchen, die oft in einem Körper kombiniert sind, offenbaren Erfahrungen von Familien, die den gewaltsamen Verlust eines Mitglieds kompensieren müssen. In diesem konkreten Fall des gefallenen oder verschollenen Vaters führen die Anstrengungen einen künstlerischen Ausgleich herbei, der ein Matriarchat verkörpert, in das erst im Laufe der Zeit der Mann der Künstlerin und der Vater ihrer drei Kinder einbezogen wurde. Die Werkgruppen „generativ“ und „transgenerativ“, zwischen 1994 und 2008 entstanden, bearbeiten diesen existenziellen Zusammenhang.

Im Werk Soltaus schieben sich mehrere Zeitebenen ineinander: In den 1970er Jahren war es die Zeit und Raum komprimierende Dynamik der Bewegung, die letztlich auch ihrer zerstörerische Wirkung ausmacht.  Später wird diese mit der Lebenszeit von vier Generationen verschnitten und vernäht. Und darüber liegt die Zeit, die über die Geschichte hinausweist in die Zeit der transhistorischen Erfahrung, aus der sich die „transgenerative“ Erfahrung der Zeit des Matriarchats speist.

Alle Werkgruppen und einzelne Werke sind auf der Homepage der Künstlerin: www.annegret-soltau.de einzusehen.

©Johannes Lothar Schröder, VG-Wort 2016